Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten
Autoren: Tom Harper
Vom Netzwerk:
gelegt.» Er seufzt ungeduldig. «Auf diese Fragen brauche ich eine Antwort, Gaius.»
    Die Kette liegt kalt in meiner Hand, ein unliebsames Pfand des Toten, das ich zu tragen gezwungen bin. Ich wehre mich noch dagegen. «Über Christen weiß ich nichts.»
    «Unsinn.» Konstantin berührt meine Schulter. Früher hätte mir diese Geste geschmeichelt, aber jetzt fühle ich mich wie von einem starren Arm zurückgehalten. «Du weißt immerhin, dass sie sich befehden wie Katzen in einem Sack. Wenn ich einen von ihnen zu mir bestellte, käme gleich die Hälfte seiner Bruderschaft angelaufen, um ihn als Schismatiker und Häretiker zu verdammen. Die andere Hälfte würde nicht lange auf sich warten lassen und sie derselben Verbrechen bezichtigen.»
    Er schüttelt den Kopf. Obwohl selbst ein Gott, vermag er nicht, die Mysterien der Christen zu ergründen.
    «Glaubst du, ein Christ hat ihn getötet?»
    Er gibt sich schockiert, und ich bin fast geneigt, ihm seinen Schrecken abzunehmen. «Bewahre! Sie spucken und kratzen, beißen aber nicht.»
    Ich widerspreche nicht. Ich weiß ja nichts von den Christen.
    «Aber die Leute werden spekulieren. Manche werden behaupten, der Mord an Alexander wäre ein Angriff auf die gesamte Christenheit, verübt von denen, die sie hassen. Die Wunden liegen bloß, Gaius. Wir haben fünfzehn Jahre lang Krieg geführt, um das Reich zu vereinen und Frieden zu schaffen. Es darf nicht auseinanderbrechen.»
    Seine Sorge ist begründet. Er hat seine Stadt in aller Eile aufgebaut. Der Mörtel ist kaum getrocknet, und schon zeigen sich erste Risse.
    «In zwei Wochen werde ich ins Feld ziehen. Ich kann dieses Problem nicht zurücklassen. Ich brauche jemanden, der schnell eine Lösung herbeiführt. Bitte, Gaius. Hilf mir, unserer Freundschaft wegen.»
    Glaubt er wirklich, mich damit locken zu können? Ich habe um unserer Freundschaft willen Dinge getan, die mir nicht einmal der angeblich so nachsichtige Christengott verzeihen würde.
    «Ich wollte in der nächsten Woche nach Moesia zurückkehren. Es ist schon alles für die Reise vorbereitet.»
    In seinen Gesichtsausdruck schleicht sich Wehmut. Sein Blick ist in die Ferne gerichtet.
    «Erinnerst du dich, Gaius? Wie wir vor Naissus auf den Feldern gespielt haben? Wie wir in die Hühnerställe geklettert sind, um Eier zu stehlen? Man hat uns nie dabei erwischt, nicht wahr?»
    Man hat uns nie erwischt, weil dein Vater Tribun war. Aber das sage ich nicht. Es ist gefährlich, die Erinnerungen eines alten Mannes zu korrigieren.
    «Vielleicht sollte ich wieder einmal Heimatboden unter den Füßen spüren. Wenn ich von Persien zurückkehre.»
    «Du bist immer willkommen in meinem Haus.»
    «Ich werde kommen. Und du wirst vor mir dort sein, sobald du dieses Problem für mich gelöst hast.»
    Wie gehabt. Ein Gott hat keine Zeit für lange Dispute. Sein Urteil steht fest, und davor zerschellt all mein Widerstand. Meine Ausflüchte und meine Entschlossenheit, mich nicht von ihm einspannen zu lassen, sind nichts wert.
    «Willst du einen Sündenbock? Oder willst du, dass ich den wahren Täter finde?»
    Ich stelle die Frage nicht von ungefähr. In dieser Stadt ist nicht jeder Mord ein Verbrechen. Und nicht alle Verbrecher sind schuldig. Keiner weiß das besser als Konstantin.
    «Du sollst den finden, der es getan hat. Und zwar diskret.»
    Er will also die Wahrheit erfahren. Dann wird er entscheiden, wie er damit umgeht.
    «Öffnen mir die Christen, wenn ich bei ihnen anklopfe?»
    «Sie werden wissen, dass du in meinem Auftrag kommst.»
    Zeit meines Lebens bin ich in deinem Auftrag unterwegs. Als dein Berater und Freund, dein rechter Arm. Wenn ich zur Tat schreite, lehnst du dich zurück. Du führst das Wort, ich applaudiere. Und gehorche.
    Er klatscht in die Hände. Wie aus dem Nichts taucht ein Sklave auf. Natürlich: Ich bin in dieser Stadt wahrlich nicht der Einzige, der applaudiert und gehorcht. Der Sklave bringt ein Diptychon aus Elfenbein, zwei kleine Tafeln, die in der Mitte von einem Lederband zusammengehalten werden. Auf der einen Seite ist ein Flachrelief des Kaisers zu sehen, mit einer Sonnenkrone auf dem Haupt und den Blick himmelwärts gerichtet; daneben das vertraute Monogramm, das gleiche wie auf dem Amulett. Ein Text von wenigen Zeilen verleiht mir die Vollmacht, in seinem Namen zu handeln.
    «Danke, Gaius.» Er umarmt mich, und diesmal tauschen unsere alten Körper so etwas wie Wärme aus. Er flüstert mir ins Ohr: «Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher