Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
Leuchtturms tauchte gerade über der Anhöhe auf, schien durch die blattlosen Bäume. Sie kamen schnell auf der Klippe voran.
    »Was war der Grund? Haben Ihre Patienten Sie auf den Geschmack gebracht, oder sind Sie um keinen Deut besser als sie?«
    »Halten Sie den Mund!«, brüllte Dr. Beckwith; seine Hand schnellte vor, und der Lauf der Waffe traf John ins Gesicht. John schwankte unter dem Schlag, sah Sterne. Der Wagen schlitterte über den Feldweg.
    »Idiot! Warum haben Sie sich nicht herausgehalten! Ihren Mandanten verteidigt, ohne sich von dieser Frau einwickeln zu lassen. Sie sind genauso schwach wie alle anderen – unter der Fuchtel einer Frau … Ihretwegen haben Sie Ihre Pflichten vernachlässigt, Ihren Mandanten enttäuscht, haben Ihre Nase in Dinge gesteckt, die niemanden etwas angehen.«
    Das hielt der Doktor für Schwäche? Kate zu helfen? John hatte sich nie so stark und lebendig gefühlt wie jetzt, wo er wusste, dass er sich verliebt hatte, und alles tun würde, um ihr Leben zu retten.
    Da er diesen Wahnsinnigen um keinen Preis der Welt näher an den Ort heranfahren wollte, an dem sich Kate möglicherweise befand, trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch und fuhr seinen Wagen mit voller Wucht gegen einen Baum.
     
    Als Kate das Krachen und die Autohupe hörte, fuhr sie an den Straßenrand unter einen Apfelbaum und löschte die Scheinwerfer. Willa flehte sie weinend an weiterzufahren, aber Kate gebot ihr zu schweigen. Sie kurbelte die Fensterscheibe hinunter und lauschte.
    Das Hupen hielt an. Dann verstummte es, und sie hörte, wie Autotüren aufgerissen wurden und eine laute Stimme jemandem auszusteigen befahl. Als sie angestrengt in die Dunkelheit spähte, konnte sie die Gestalten von zwei Männern ausmachen, die neben einem zertrümmerten Wagen standen.
    »John!« Sie machte Anstalten, aus dem Lincoln zu springen. Doch in ebendiesem Augenblick schweifte der Lichtstrahl des Leuchtturms über sie hinweg, und Willa packte ihr Handgelenk, zog sie auf den Fahrersitz zurück.
    »Das ist er«, flüsterte sie entsetzt. »Der Mann mit den weißen Haaren.«
    Er war bewaffnet. Kate rutschte blitzschnell in ihrem Sitz nach unten, so dass nur noch ihre Augen über dem Armaturenbrett sichtbar waren, und sie erhaschte einen flüchtigen Blick auf Johns blutverschmiertes Gesicht, den glänzenden Pistolenlauf, der auf seinen Kopf gerichtet war, und den weißhaarigen Mann, der die Waffe hielt, als der Strahl des Leuchtsignals über sie hinwegglitt.
    Die Schwestern duckten sich und beobachten die beiden Männer. Kate hatte die Hand auf der Türklinke, drückte sie leise auf und setzte vorsichtig einen Fuß auf den Boden.
    »Was machst du da?«, flüsterte Willa gehetzt.
    »Ich muss zu John. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich nicht nach Silver Bay zurückgekommen … und hätte dich nicht gefunden, Willa.«
    »Sobald wir in Sicherheit sind, rufst du die Polizei«, rief Willa flehentlich. »Der andere, der bei ihm ist – das ist Calebs Komplize!«
    »Der Mann, der dich verletzt hat?« Kate spürte, wie unbändige Wut und Hass in ihr aufstiegen.
    »Ja … er kam immer um Punkt neun …« Ihre Stimme klang tränenerstickt. »Wie spät ist es?«
    »Zehn nach neun«, sagte Kate mit einem Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. »Er hat sich verspätet. Und er hat John in seiner Gewalt.«
    »Geh nicht weg.« Tränen liefen über Willas zerschundenes, blutiges Gesicht. »Lass mich nicht allein.«
    Kate fühlte sich hin- und hergerissen – ihre Schwester brauchte dringend ein Krankenhaus, und sie konnte den Gedanken kaum ertragen, sie auch nur für wenige Minuten allein zu lassen. Aber sie konnte John auch nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Kate war alles andere als mutig, tapfer oder beherzt. Aber sie hatte sich seit ihrer Ankunft in Silver Bay verändert und wusste, dass dieser innere Wandel mit John O’Rourke zusammenhing.
    Sie war verliebt, in seine Tochter, seinen Sohn, seinen Vater, die Haushälterin seines Vaters, den Golden Retriever und vor allem in ihn – was sie daran erkannte, dass ihr das Herz bis zum Hals geschlagen hatte, als sie sah, wie sein Kombi durch die Apfelplantage fuhr, und wusste, dass er ihretwegen gekommen war.
    Kate nahm ihr Messer und die rostige Metallstrebe und gab ihrer Schwester einen flüchtigen Kuss. »Ich lass dich nicht alleine. Ich bin gleich zurück, aber ich muss John helfen. Er braucht mich jetzt …«
     
    Als John zum Leuchtturm hinübersah, entdeckte er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher