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Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Titel: Die Gefährtin Des Lichts erbin2
Autoren: jemisin
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Zeile gehen soll«, sagte ich. Meine Plaudereien schienen ihn nie zu stören. Mich wiederum störte es nicht, dass sie einseitig waren. »Wahrscheinlich wird es dort wie im Irrenhaus zugehen. Oh, stimmt ja. Hast du davon gehört? Gestern wurde in Oscha, in der Nähe der Weißen Halle, ein Gottkind tot aufgefunden. Rolie. Ich habe sie gefunden. Sie war tatsächlich tot.« Ich schauderte bei der Erinnerung. »Das bedeutet, dass ihre Anhänger kommen werden, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Überall werden Bewahrer sein. Außerdem werden Gaffer im Dutzend billig er herumstehen.« Ich seufzte. »Ich hoffe, sie werden nicht die ganze Promenade sperren. Meine Ersparnisse lösen sich allmählich in Rauch auf.«
    Zunächst fiel mir, während ich weiter aß, nicht auf, dass Sonnenscheins Schweigen sich verändert hatte. Dann bemerkte ich das Entsetzen darin. Was hatte seine Aufmerksamkeit erregt? Meine Sorge ums Geld? Er war obdachlos gewesen. Vielleicht hatte er Angst, dass ich ihn hinauswarf? Doch irgendwie erschien mir der Gedanke abwegig.
    Ich streckte meine Hand nach seiner aus und tastete mich nach oben, bis ich sein Gesicht erreichte. Es war immer schwer, ihn zu lesen, aber jetzt war sein Gesicht völlig versteinert. Er hatte die Zähne fest zusammengebissen und die Augenbrauen zusammengezogen. Die Haut in der Nähe der Ohren war straff gespannt. Betroffenheit, Wut oder Angst? Ich wusste es nicht.
    Gerade wollte ich ihm sagen, dass ich nicht die Absicht hatte, ihn an die Luft zu setzen, doch er schob seinen Stuhl zurück und ging fort. Meine Hand schwebte dort in der Luft, wo sich sein Gesicht befunden hatte.
    Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Also aß ich auf. Dann trug ich meinen Teller zum Abwasch nach oben und bereitete mich darauf vor, zur Zeile zu gehen. Sonnenschein wartete an der Tür auf mich und schob mir meinen Stock in die Hand. Er wollte mit mir gehen.
    Wie ich erwartet hatte, befand sich eine kleine Menschenmenge auf der Straße: weinende Anhänger, neugierige Schaulustige und ziemlich barsche Ordensbewahrer. Außerdem hörte ich, dass eine kleine Gruppe am anderen Ende der Promenade sang. Das Lied hatte keinen Text. Die Gruppe wiederholte immer wieder eine beruhigende und etwas gespenstisch wirkende Melodie. Es handelte sich um die Neuen Lichter - eine der neumodischen Religionsgruppen, die in der Stadt aufgetaucht waren. Wahrscheinlich wollten sie unter den trauernden Anhängern der toten Göttin neue Mitglieder werben. Außer den Lichtjüngern roch ich das schwere, einschläfernde Rauchwerk der Dunkelwanderer. Sie waren Anhänger des Schattenlords. Allerdings waren nicht viele von ihnen anwesend. Sie waren keine Frühaufsteher.
    Zusätzlich hatten sich Pilger eingefunden. Einige verehrten die Graue Lady. Weiterhin gab es die Töchter des Neuen Feuers, die ein Gottkind favorisierten, von dem ich noch nie gehört hatte. Außerdem waren die Jünger der zehnten Hölle, die Uhr- werk-Liga und noch ein halbes Dutzend anderer Gruppierungen anwesend. Zwischen dem ganzen Gesindel konnte ich die Straßenkinder hören, die sich wahrscheinlich als Taschendiebe betätigten und anderen Streiche spielten. Sogar sie hatten heutzutage einen Schutzgott. Deshalb waren sie erfinderisch und dreist geworden.
    Kein Wunder, dass die Bewahrer des Ordens barsch waren. Es war ihnen immerhin gelungen, die Gasse abzusperren. Sie erlaubten den Trauernden, sich ihr in kleinen Gruppen zu nähern. Diese durften lange genug verweilen, um ein Gebet oder zwei zu sprechen.
    Sonnenschein war an meiner Seite. Ich ging in die Hocke, um mit einer Hand über die Blumen, Kerzen und gesammelten Kleinigkeiten zu streichen, die am Eingang der Gasse niedergelegt worden waren. Ich war überrascht, weil einige der Blumen halb verwelkt waren. Sie mussten schon eine Weile dort gelegen haben. Das Gottkind, das dieser Gasse seinen Stempel aufgedrückt hatte, musste die reinigende Magie vorläufig ausgeschaltet haben. Vielleicht als Zeichen des Respekts gegenüber Rolie.
    »Schade«, sagte ich zu Sonnenschein. »Ich habe sie nie kennengelernt, aber ich hörte, dass sie nett war. Göttin des Mitleids oder so ähnlich. Sie hat in Südwurzel als Knochenbiegerin gearbeitet. Hat nie jemanden abgewiesen, der nicht bezahlen konnte.« Ich seufzte.
    Sonnenschein stand schweigend und grübelnd neben mir. Er bewegte sich nicht und atmete kaum. Ich nahm an, dass er trauerte, stand auf und tastete nach seiner Hand. Überrascht stellte ich fest, dass er
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