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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung
Autoren: Georgette Heyer
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üblichen Mißachtung der Konventionen, die die gute Gesellschaft regierten, eine höchst unpassende Stunde für seinen Besuch gewählt. Die Damen hatten das Frühstückszimmer erst vor zehn Minuten verlassen. Er war sich anscheinend des gesellschaftlichen Schnitzers völlig unbewußt, denn er betrat das Zimmer, als sei er sicher, daß er willkommen sein mußte, und begrüßte heiter die Anwesenden. Er sagte, er freue sich, sie daheim angetroffen zu haben, beglückwünschte Fanny zu ihrer Genesung. Dann wandte er sich Abby zu und sagte, sie anlächelnd: »Ich bin gekommen, um Sie zu einer Ausfahrt abzuholen.«
    Selina schäumte vor Empörung. Was Abby an diesem abrupten, unmanierlichen Menschen fand, war etwas, das einfach ihren Verstand überstieg! Hastig begann sie zu plappern: »Wie reizend von Ihnen, Sir, aber es wäre wirklich höchst unklug von meiner Schwester, sich in einem offenen Wagen hinauszuwagen! Das Wetter ist so unbeständig – ich wette, es wird schon in einer Stunde wieder regnen, denn in dieser Jahreszeit kann man sich nicht darauf verlassen. Außerdem wünsche ich, daß sie mit mir die Trinkhalle besucht.«
    Vor brennender Neugierde vergaß Fanny ihre eigenen Sorgen und sagte aufgeweckt: »Tante Selina, ich begleite dich. Eine Ausfahrt ist genau das, was Abby guttun wird, nachdem sie so lange im Haus eingesperrt war!«
    Mr. Calverleigh lächelte sie an und sagte: »Braves Mädelchen!« worüber sie kichern mußte. Dann meinte er zu Abby, sie solle gehen und sich den Hut aufsetzen. Er fügte die Empfehlung hinzu, einen Pelzkragen oder Schal mitzunehmen. »Damit Sie beruhigt sind!« sagte er, sich an Selina wendend. »Ich glaube nicht, daß sie sich erkältet, wenn sie warm angezogen ist, und sollte es regnen, dann finden wir ja noch immer ein Dach über dem Kopf, nicht?«
    Worauf er Fanny in leeres Geschwätz verwickelte, während Selina vergeblich nach anderen Gründen suchte, warum Abby nicht mit ihm ausfahren sollte.
    Als Abby, für den Ausflug entsprechend gekleidet, ins Zimmer zurückkehrte, unternahm Selina einen letzten Versuch, sie zu überzeugen, daß sie ernsteste Gefahr lief, sich eine schwere Erkältung, wenn nicht sogar eine Lungenentzündung zu holen. Aber Fanny, die Abby impulsiv einen Kuß gab, unterbrach sie sehr grob: »Unsinn! Es ist der schönste Tag, den wir seit Wochen haben. Ich komme mit und hülle dich in Unmengen von Schals, Abby!«
    »Danke!« sagte Abby lachend. »Ich glaube, einer genügt! Leb wohl, Selina. Du brauchst wirklich nicht nervös zu werden, versichere ich dir.«
    Mr. Calverleigh sah ihr nach, als sie das Zimmer verließ, und wandte sich an Selina, um sich zu verabschieden. »Keine Sorge!« sagte er. »Ich werde mich sehr um sie kümmern.«
    Fünf Minuten später kutschierte er in flottem Trab dahin, während Fanny ihnen von der Torstufe aus nachwinkte. Er sagte düster: »Indische Sitten, meine Liebe!«
    Abby kicherte. »Üble Sitten. Arme Selina!«
    »Ich hatte schon Angst, du würdest ihrem Flehen nachgeben.«
    »Nein. Ich habe gehofft, Sie wiederzusehen. Es war so unbehaglich – einander so Lebewohl zu sagen, wie wir das taten. Ich habe Ihnen auch noch nicht die Sache mit Fanny erzählt. Das – das andere wollen wir nicht mehr erwähnen, denn da gibt es nichts mehr zu sagen. Ich weiß, daß Sie mich nicht mehr quälen werden, indem Sie versuchen, mich zu überreden, nicht wahr?«
    »Nein, nein, ich werde nicht versuchen, dich zu überreden!« versprach er.
    Diese bereitwillige Zustimmung kam unerwartet und war nicht so ganz willkommen; aber nach einer Weile sagte Abby mit entschlossener Heiterkeit: »Stacy hat tatsächlich vorgehabt, mit Fanny durchzubrennen, müssen Sie wissen. Sie hat mir das Ganze erzählt. Wenn sie keine Influenza bekommen hätte, dann weiß der Himmel, was geschehen wäre! Aber das hat sie nun einmal, und während sie im Bett lag, hatten wir erstaunliches Glück!«
    Er lachte. »Nein, wirklich?«
    »Ja. Denn wer traf in Bath ein? Eine reiche Witwe! Sagenhaft reich, nach allen Berichten. Ich selbst habe sie nie gesehen, aber ich glaube, sie ist ziemlich jung und sehr hübsch. Und sie ist im Weißen Hirschen abgestiegen!«
    »Nein!«
    »Doch. Mit einer Gesellschafterin und einer Zofe und einem Lakai – oh, und noch dazu mit einem Reisemarschall! Sie hätten es nicht für möglich gehalten.«
    »Hm – wirklich nicht?« sagte Mr. Calverleigh.
    »Und sie war noch keinen ganzen Tag in Bath, als Stacy sich schon eifrig für sie
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