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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes
Autoren: Steven Erikson
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verfestigten und dabei immer deutlicher herausbildeten. Ein schwacher Modergeruch lag über dem Gelände, wie von frisch umgegrabener Erde. Der Assassine spürte Frieden in sich aufsteigen.
    Einen Augenblick später hörte er, wie jemand hinter ihm durchs Unterholz brach. Er wirbelte herum und sah Vorcan herantorkeln. Ihr Gesicht war blutüberströmt. Auf ihrer Stirn klaffte eine Wunde, und sie fiel Rallick mehr oder weniger in die Arme.
    »Tiste Andii«, keuchte sie. »Hinter mir. Sie jagen mich. Sie wollen sich rächen!«
    Rallick schaute über ihre Schulter hinweg; seine Augen hatten viel Zeit gehabt, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, daher sah er die schattenhaften Gestalten, die unter den Bäumen lautlos dahinglitten und langsam näher kamen. Er zögerte, umfasste die nun bewusstlose Frau in seinen Armen fester. Dann bückte er sich, warf sich Vorcan über eine Schulter, drehte sich um und rannte auf das Haus zu.
    Er wusste, dass die Tür sich für ihn öffnen würde, was sie auch wirklich tat. Dahinter lagen ein dunkles Vorzimmer und ein Türbogen, der auf einen Korridor führte, der von einer Seite zur anderen verlief. Ein Schwall warmer, süßer Luft wehte ihm entgegen, und er trat, ohne zu zögern, ins Innere.
    Korlat, eine Blutsverwandte von Serrat, wurde langsamer, als sie sich dem seltsamen Haus näherte. Die Tür hatte sich hinter ihrer Beute geschlossen. Sie ging bis an den Rand der Lichtung und kauerte sich nieder. Nach und nach versammelten sich ihre Jagdgefährten um sie.
    Horult stieß ein wütendes Zischen aus und fragte dann: »Hast du unseren Herrn gerufen, Korlat?«
    Die Angesprochene schüttelte den Kopf. »Ich kenne solche Gebilde von früher«, sagte sie. »Das Totenhaus von Malaz, das Odhanhaus im Reich der Sieben Städte... Azath edieimarn, Säulen der Unschuld - diese Tür wird sich für uns nicht öffnen.«
    »Aber für sie hat sie sich geöffnet«, sagte Horult.
    »Manchmal kommt das vor. Die Azath wählen selbst. Genauso war es mit dem Totenhaus. Zwei Männer wurden erwählt: einer, der Imperator sein würde, der andere, der ihn begleiten würde. Kellanved und Tanzer.«
    »Ich spüre die Macht dieses Hauses«, flüsterte Orfantal. »Unser Herr könnte es zerstören - jetzt, solange es noch jung ist.«
    »Ja«, stimmte Korlat zu, »das könnte er.« Sie schwieg einen Moment, dann stand sie auf. »Ich bin eine Blutsverwandte derjenigen, die getötet wurde«, sagte sie.
    »Du bist eine Blutsverwandte«, intonierten die anderen.
    »Das Streben nach Rache ist beendet«, sagte Korlat. Die Linien um ihre mandelförmigen Augen spannten sich. »Unser Herr wird nicht gerufen werden. Überlasst ihn seiner Genesung. Der Azath wird nicht angerührt werden, denn er ist neu, noch ein Kind.« Der Blick ihrer sanften braunen Augen wanderte von einem ihrer Gefährten zum anderen. »So sprach die Königin der Dunkelheit vom Licht, als es das erste Mal geboren wurde.Es ist neu, und was neu ist, ist unschuldig, und was unschuldig ist, ist kostbar. Betrachtet dieses Kind des Wunders, und erkennt die Ehrerbietung, die ihr ihm schuldete.«
    Orfantal machte ein finsteres Gesicht. »So hat das Licht überlebt, und so wurde die Dunkelheit zerstört, ist die Reinheit verschwunden - und jetzt willst du, dass wir mit dem gleichen Makel behaftet sind, mit dem unsere Königin behaftet war. Das Licht wurde verdorben und hat unsere Welt zerstört, Korlat, oder hast du das vergessen?«
    Korlats Lächeln war traurig. »Du solltest solche Makel schätzen, teure Schwester, denn der Makel unserer Königin hieß Hoffnung, und so heißt auch der meine. Und nun müssen wir gehen.«
     
    Kruppes Gesichtsausdruck war gütig, als er Crokus näher kommen sah; der Junge war sichtlich erschöpft von dieser Nacht voll endloser Rennerei. Er stupste Murillio an und deutete mit wedelnden Fingern auf den jungen Dieb. »Der Bursche kehrt mit unangemessener Hast zurück, doch Kruppe fürchtet, er hat ebenso schlechte Nachrichten wie die, die Kruppe selbst überbringen muss.«
    »Er hat eine ziemlich harte Nacht gehabt«, kommentierte Murillio. Er lehnte neben dem Tor zum Simtal-Anwesen an der Mauer. Die Straßen waren noch immer leer, die Einwohner der Stadt von den entsetzlichen Geschehnissen dieser Nacht immer noch betäubt.
    Kruppe deutete auf Mondbrut; die Festung hatte sich mittlerweile eine Länge nach Westen bewegt, befand sich bereits ein gutes Stück außerhalb der Stadtmauern. »Ein bemerkenswertes Ding, dieses Ding da.
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