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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen
Autoren: Ulrich Kiesow
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zufrieden gab und ich einem Gespräch über Glaubensfragen entging.
    So wendeten wir uns wieder einem anderen Thema zu und hätten vielleicht noch bis zum ersten Hahnenschrei weitergeschwatzt, wenn uns Larix' unhöflich lautes Schnarchen nicht daran erinnert hätte, wie spät es inzwischen geworden war. Während Yppolita uns zu unseren Zimmern hinaufgeleitete, fiel mir plötzlich auf, daß Hana und sie während des ganzen Abends kein einziges Mal Ulissas Namen erwähnt hatten. Doch jetzt mochte ich auch nicht mehr nach dem Grund für dieses Schweigen fragen.
     
    Am nächsten Morgen ritten wir auf drei großen Apfelschimmeln – Geschenke der Königin – durch das Burgtor. An den Sätteln befestigte Beutel enthielten alle Dinge, die wir für die Reise benötigten. Quer über den Pferderücken hatten wir dicke Deckenrollen geschnallt. Geld hatte uns Yppolita nicht angeboten – wir hätten allerdings auch keines genommen (Larix und ich jedenfalls nicht).
    Viburn pfiff leise das Lied von der Perle im Radromtal. So trabten wir gemächlich über den weichen, mit trockenem Gras bewachsenen Pfad, der ein paar hundert Schritte voraus in einem dichten Birkengehölz verschwand.
    Wir drehten uns nicht um. Wozu auch? Wir wußten nur zu gut, was wir sehen würden: Kurkums helle, glatte Mauer, dahinter der hoch aufragende Bergfried. Und oben auf dem mächtigen Turm, auf einem Pfahl ein großes Karrenrad. Das Rad, auf das Ulissa von nun an Nacht für Nacht gebunden wurde, bis irgendwann Smardur käme, um die Gabe der Amazonen in Empfang zu nehmen.
     
     
     

 
     
    Viele Jahre sind vergangen seit jenem Tag, da wir Abschied von Kurkum nahmen. Damals war der junge Reto seit knapp zwei Jahren auf dem Thron, und heute schreiben wir das sechsundzwanzigste Jahr seines Sohnes, welcher aber seit langem verschollen ist, verschollen, bevor jene Finsternis sich über unser Land legte, die an uralte, dunkelste Zeiten gemahnt, die wir alle für auf ewig versunken hielten. Manchmal wünsche ich mir, das Leben anhalten zu können – wenigstens das, wenn wir schon niemals zu alten Tagen zurückkehren dürfen. Vielleicht hätte ich das Leben dann an irgendeinem jener Tage zum Stehen gebracht, als wir mit Mädchen durch die Trollzacken wanderten – sie ebenso ahnungslos wie wir und jeder von uns beglückt von diesem Zusammentreffen, das uns so viele heitere Erfahrungen gebracht hat. Ja, da hätte das Leben meinetwegen stehenbleiben können ...
    Da aber der Herr Praios darauf besteht, seinen Schild immer wieder von neuem über den Himmel zu tragen, und da es den Unsterblichen gefällt, keinen Tag jemals wie einen anderen geraten zu lassen – sie können sich diese Verschwendung leisten, denn die Folgen haben sie nicht zu tragen –, darum ist das Leben seit jenen Traviatagen in den Trollzacken immer weiter gegangen, und mir scheint, es hat uns nicht viel Gutes gebracht.
    Königin Yppolita ist tot. Vor wenigen Monden starb sie im Kampf um Kurkum, und sie kämpfte nicht für Kurkum oder die Amazonen allein, sondern für uns alle, die wir die Finsternis hassen, mit der der ekle Dämonenmeister unsere Welt zu überziehen trachtet. Nicht wenige Tränen sind in den Stuben und an den Lagerfeuern der Kriegsleute um die Königin vergossen worden. Wir wissen wohl, wir haben nicht mehr viele, die ihr ähnlich sind. Wir haben einen unersetzlichen Menschen verloren – so beliebig dieser Satz mittlerweile auch klingen mag, so ist er doch niemals wahrer gewesen!
    Ich weiß, auch ich bin gerufen, in den Kampf gegen den übermächtigen Borbarad zu ziehen, aber, liebe Freunde, ich bin zu alt. Die müden Knochen schmerzen, und die welken Finger haben sich so krumm gezogen, daß ich die letzten Seiten der Geschichte, die Ihr soeben gelesen habt, einem jungen Freund in die Feder diktieren mußte.
    Ach, was soll ich noch viel erzählen, über die verstrichenen Jahre? Wie wir Elgor verloren, habe ich Euch berichtet. Von Junivera habe ich gehört, daß Yppolita sie nicht mehr bei den Feilschern angetroffen hat, als sie kam, um die Geweihte nach Kurkum zu holen. Es heißt, Junivera habe sich aus freien Stücken in die Sklaverei im fernen Al'Anfa begeben. Fast zwanzig Jahre habe sie ein Leben der äußersten Erniedrigung geführt und darüber den Verstand verloren. So sagten jedenfalls ein paar Reisende, die vor mehr als fünfzehn Jahren einer besessenen Kriegerin namens Junivera mitten im ödesten Orkland begegnet sind.
    Freund Larix ist damals nicht mit uns nach
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