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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen
Autoren: Ulrich Kiesow
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zurückzufinden. Mögen die Zwölfe es fügen, daß die Fehler, die ich später einmal machen werde, sich ebenso rasch wieder ausgleichen lassen! Aber nun wollen wir uns anderen Dingen zuwenden. Ich habe noch eine Menge Fragen.« Als nächstes ließ sich die Königin von Viburn berichten, mit Hilfe welcher Magie er Mimmels Stimme in das Faß am Kran gezaubert habe. »Keine Magie«, antwortete der Streuner. »Dazu fehlt mir die Begabung. Ich habe einmal einen ähnlichen Gauklertrick auf dem Jahrmarkt in Nostria gesehen ... Das sprechende Faß ... Die Leute glauben einfach, wenn sie ein Faß in der Luft hängen sehen und irgendwo von oben her eine dumpfe Stimme hören, die käme aus dem Faß. Dumpf muß die Stimme natürlich klingen, darum habe ich auch Mimmel diesen Topf über den Kopf gestülpt. Bin damals selbst auf den Trick hereingefallen und sehr froh, daß er auch diesmal geklappt hat. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, den Kran in Bewegung zu setzen und dann hinüber zum First des Palas zu hetzen, wo ich vorher Mimmel plaziert hatte. Eigentlich ist es mir ein wenig peinlich, daß ich so einen albernen Wirbel veranstaltet habe, aber es kam mir halt darauf an, daß alle Amazonen hören konnten, was der kleine Schurke zu sagen hatte ... Ich finde, der Kleine hat seine Sache gut gemacht ...«
    »Trotzdem hatte er den Tod verdient«, warf Yppolita ein, die den Bernsteinring mit dem eingeschlossenen Käfer am Finger drehte. »Er war ein abscheulicher Geselle, schlecht und verdorben ... Immerhin aber muß ich ihm dafür dankbar sein, daß er so kleinlich über alle seine Geschäfte Buch geführt hat.«
    »Ja, das stimmt«, erwiderte Viburn grinsend. »Als ich ihm das Messer an die Kehle setzte, erzählte er mir, um mich gnädig zu stimmen, die Geschichte von dem Schlafpulver, das er Ulissa verkauft hatte. Der pfiffige Bursche hatte sich auch zusammengereimt, wie sie das Pulver eingesetzt hatte. Ich fragte ihn natürlich nach Beweisen für das Geschäft. Da zeigte er mir den Ring und erzählte mir, daß der Handel selbstverständlich ins Hauptbuch eingetragen worden sei. Ich habe ihn dann gezwungen, die Seite herauszureißen und mitzubringen. So konnte ich seinen Auftritt ein wenig wirkungsvoller gestalten.«
     
    Wir schwatzten bis tief in die Nacht hinein. Hana erzählte voller Stolz von Yppolitas Jugend und Kindheit, ihrer frühen Meisterschaft im Waffenhandwerk und ihren frechen Streichen. Yppolita gab es bald auf, die Anekdoten der blinden Frau durch Richtigstellungen zu unterbrechen. Larix berichtete vom Leben des Zwergenvolkes, Viburn und ich steuerten Geschichten aus den Schenken der Städte an Aventuriens Westküste bei.
    Die Amazonen kamen immer wieder auf ein Ereignis zu sprechen, das sie vor allem zu bewegen schien: den Fund des Drachenkotes und die nächtliche Beobachtung, von der Larix und ich berichtet hatten.
    Alle Anzeichen sprachen dafür, daß der Drache schon mehrmals Kurkum heimgesucht hatte. Die Chronik nannte sogar seinen Namen: Smardur. Zuletzt war Smardur vor dreißig Jahren auf dem Bergfried gelandet. Wie bei all seinen früheren Besuchen hatte er eine Kriegerin in seinen Klauen davongetragen. Beim letzten Mal war es die damalige Schwertmeisterin, eine Offizierin namens Hilla, gewesen. Die Amazonen hatten sie nie wiedergesehen.
    »Ein trauriges Schicksal«, sagte ich.
    Hana wandte mir das Gesicht mit den eingefallenen Augenhöhlen zu. »Wie man es nimmt, junger Mann. Ich kann nicht mehr in unseren Chroniken lesen, aber ich trage sie in meinem Kopf. Es hängen immer zweierlei Dinge mit Smardurs Besuchen zusammen: Eines ist der Raub einer Kriegerin, das hast du gehört. Das andere ist weitaus rätselhafter: Wie du weißt, muß unser Volk sich in vielen Schlachten bewähren. Wir können nicht jeden Kampf gewinnen – manchmal ist die Übermacht einfach zu groß. Aber – und nun höre mir gut zu – wir haben noch nie eine Schlacht verloren, die auf Smardurs Heimsuchung folgte. Und darum betrachten wir die geraubten Kriegerinnen als eine Gabe, das Kampfglück gnädig zu stimmen. Vieles deutet sogar darauf hin, daß Smardur ein Bote der Göttin Rondra ist. Was sagst du nun?«
    Was hätte ich antworten sollen? Ich bin immer der Meinung gewesen, daß es uns Sterblichen nicht gegeben ist, den Willen der Götter zu deuten, aber ich wollte auch die Gefühle der Schwertmeisterin nicht verletzen. Darum sagte ich: »Das ist sehr fesselnd«, und freute mich darüber, daß sie sich mit dieser Antwort
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