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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Havena zurückgekehrt, sondern im Kosch geblieben, wo er Verwandte hatte, die eine Erzmine betrieben. Wie es heißt, habe er zwar bei einem Unfall ein Bein verloren, sei aber heute ein gemachter Mann – oder sagt man ›gemachter Zwerg‹ –, habe Frau und Kind und verkehre an der Tafel des Fürsten Eberstamm. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen. Es ergibt sich nicht – wir reisen beide nicht mehr gerne. So mag ich auch nicht überprüfen, was man mir vor mehr als zehn Jahren zutrug: Der gute Larix habe eines Morgens eine Art Anfall bekommen, Mine, Frau und Kind im Stich gelassen und sei auf Abenteuerfahrt ins Liebliche Feld gezogen – auf einem Bein?
    Viburn sagte irgendwann im Jahre 10 Hal zu mir, als wir in unserer Lieblingsschenke in Havena saßen: »Ich werde übrigens morgen verreisen, altes Langohr. Stell dir vor, der Garether Kaiser steckt in einer Patsche, und ich muß ihm helfen.« Er erklärte mir dann, in Tobrien hätten sich etliche hundert Oger zusammengerottet, um auf die Hauptstadt zu marschieren. Kaiser Hal sei aufgebrochen, die Menschenfresser aufzuhalten, und er, Viburn, werde ihm dabei helfen. »Erstens mag ich den Kaiser, und zweitens hasse ich wenige Dinge auf der Welt so sehr wie den Gestank eines schmerbäuchigen Ogers. Es wird dringend Zeit, ihre Anzahl ein wenig zu vermindern!«
    Nie hätte ich dem eingefleischten Streuner und Leichtfuß so eine Tat zugetraut. Wie paßte sein Entschluß mit seinen unverschämten Scherzen über Obrigkeit und Militär zusammen? Er konnte es mir nicht erklären und speiste mich mit müden Späßen ab. Aber Viburn war ja schon immer für eine Überraschung gut gewesen. Einige Jahre zuvor hatte er mich damit verblüfft, daß er mir einen hübschen blonden Burschen unvermittelt als seinen ›lieben Sohn Elgor‹ vorstellte. Elgors Mutter habe ihm diesen Namen gegeben. Wer diese Mutter sei – darüber wollten sich beide nicht auslassen, und über Elgors Kindheit und Jugend konnte ich nur herausbekommen, daß er bei Zieheltern in einem tobrischen Dorf aufgewachsen sei. Dem jungen Elgor bin ich noch ein paarmal begegnet, aber er hat mir nie den Gefallen getan, meinen Verdacht über seine wahre Herkunft zu bestätigen. Als Viburn damals in die Schlacht bei den Trollzacken zog, tat er es in Elgors Begleitung. Vielleicht hatte ihm sogar der Junge diese Flausen in den Kopf gesetzt. Ich jedenfalls mochte damals nicht mit den beiden gehen – ich hatte mich gerade frisch verliebt.
     
    Ein paar Wochen später berichtete die Havena-Fanfare über den großen Sieg der kaiserlichen Soldaten bei den Trollzacken. Auf der letzten Seite war eine lange Namensliste abgedruckt: Havener, die in der Schlacht ihr Leben gelassen hatten. Ziemlich weit unten stand: ›Viburn – Nachname nicht bekannt.‹ Einen Elgor konnte ich nirgends entdecken – aber der Junge stammte ja auch nicht aus Havena.
     
    Ich lebe heute in den Trollzacken, auf seltsame Weise scheint das Gebirge mit mir verbunden zu sein – oder besser: ich mit ihm. Mein Neffe Golambes, ein freundlicher Bursche und Landgraf in dieser rauhen Gegend, hat mir eine kleine Baronie zugeschanzt, die mir für meine letzten Jahre ein Auskommen sichert. Ich lege sogar stets ein paar Dukaten auf die Seite, wozu, wüßte ich nicht zu sagen – ich glaube kaum, daß ich noch einmal auf die Reise gehen und viel Geld ausgeben werde.
    Ich bin in meinem Leben nie wieder in die Nähe der Burg Kurkum gekommen und habe darum nie die Antwort auf eine Frage gefunden, die mich lange bewegte: Wurde die Gabe der Amazonen tatsächlich angenommen oder lebt die unselige Ulissa womöglich noch heute als Gefangene auf der Burg? Aber wahrscheinlich ist die Frage inzwischen müßig geworden, denn es wurde berichtet, Kurkum sei an die Schergen des Dämonenmeisters gefallen und der alte Glanz der Amazonen ausgelöscht.
    Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten, und es täte Not, zur Waffe zu greifen.
    So bitt ich Euch: Verzeiht einem alten Mann seine Schwäche und nehmt dieses Buch als meinen Beitrag zum Kampf, denn darum wurde es geschrieben, um die Jungen zu lehren, wie es einmal war und wie es wieder sein wird, wenn sie die Stärke finden, dem Alptraum ein Ende zu bereiten!
     
     
     

 
     
    Erklärung aventurischer Begriffe
     
     
    Die Götter und Monate
     
        1.   Praios = Gott der Sonne und des Gesetzes – entspricht Juli
        2.   Rondra = Göttin des Krieges und des Sturmes – entspricht August
        3.   Efferd = Gott
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