Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
wie in einen Mantel. Erst dann wagte ich es, wieder an Felurian zu denken.
    Was wusste ich? Ich rief mir die hundert Geschichten ins Gedächtnis, die ich über Felurian kannte. Was waren die ständig wiederkehrenden Themen? Felurian war schön. Sie verzauberte sterbliche Männer. Die Männer folgten ihr in das Reich der Fae und starben in ihren Armen.
    Woran starben sie? Die Antwort war leicht zu erraten: an körperlicher Erschöpfung. Auch mir hatte die Begegnung alles abverlangt und schwächere Menschen mochten darunter mehr leiden als ich. Jetzt, da ich nicht mehr auf sie achtete, fühlte ich mich am ganzen Leib wie ein gründlich ausgewrungener Lumpen. Meine Schultern schmerzten, meine Knie brannten und mein Hals war vom rechten Ohr bis hinunter zur Brust wund von den süßen Bissen der Liebe.
    Eine Hitzewallung erfasste mich und ich versenkte mich rasch tiefer in das Steinerne Herz, bis mein Puls sich wieder verlangsamteund ich den Gedanken an Felurian ein wenig zur Seite schieben konnte.
    Ich kannte vier Geschichten, in denen Männer lebend von den Fae zurückgekehrt waren. Aber ihr Verstand war über ihren Erlebnissen zerbrochen wie eine Schale aus Ton. Was kennzeichnete ihren Wahnsinn? Zwanghaftes Verhalten, Entfremdung von der Wirklichkeit, die für sich schon zum Tod führen konnte, und Entkräftung durch äußerste Melancholie. Drei der Männer starben innerhalb einer Spanne, der vierte nach einem knappen halben Jahr.
    Doch eines verstand ich nicht. Felurian war gewiss eine betörende Erscheinung. Eine geschickte Geliebte? Zweifellos auch das. Aber so geschickt, dass die Männer unweigerlich starben oder verrückt wurden? Nein, kaum vorstellbar.
    Ich will den Eindruck meiner Erlebnisse keineswegs schmälern. Ich zweifle auch keinen Augenblick daran, dass sie in der Vergangenheit so manchen Mann all seiner Kraft und seines Verstandes beraubt hat. Doch hielt ich mich keineswegs für verrückt.
    Einen kurzen Moment lang stellte ich mir vor, ich sei es doch und merke es nur nicht. Dann erwog ich die Möglichkeit, ich sei es schon immer gewesen. Letzteres kam mir wahrscheinlicher vor, doch dann schob ich beide Überlegungen zur Seite.
    Mit geschlossenen Augen lag ich da, von einer mir bis dahin unbekannten wohligen Mattigkeit erfüllt. Ich schwelgte noch einen Moment lang darin, dann schlug ich die Augen auf, um Vorbereitungen für meine Flucht zu treffen.
    Ich sah mich in der Laube, in der ich lag, um. An den Öffnungen hingen seidene Vorhänge, und um mich waren Kissen verstreut. All das war nur die Bühne für die in der Mitte liegende Felurian mit ihren runden Hüften und schlanken Beinen und der glatten Haut, unter der hin und wieder ein geschmeidiger Muskel spielte.
    Felurian beobachtete mich.
    Sie war schon schlafend schön, doch wach war sie es doppelt. Schlafend ähnelte sie dem Gemälde eines Feuers, wach war sie das Feuer selbst.
    Ihr findet es vielleicht seltsam, wenn ich sage, dass ich in diesem Augenblick auf einmal Angst verspürte. Es mag sonderbar klingen,dass ich mich nur eine Armeslänge von der schönsten Frau der Welt entfernt plötzlich an meine Sterblichkeit erinnert fühlte.
    Felurian lächelte wie ein in Samt gehüllter Dolch und räkelte sich wie eine Katze in der Sonne.
    Ihr Körper schien wie geschaffen für solche Streckübungen. Ihr Rücken krümmte sich, ihr glatter Bauch straffte sich. Ihre vollen, runden Brüste hoben sich durch die Bewegung ihrer Arme, und ich fühlte mich auf einmal wie ein brünstiger Hirsch. Mein Körper reagierte auf Felurian, und mir war, als hämmere jemand mit einem glühenden Schürhaken auf den Panzer des Steinernen Herzens ein, mit dem ich mich gewappnet hatte. Für einen Moment bekam mein Panzer Risse, und unwillkürlich begann ich ein Lied auf Felurian zu dichten.
    Ich hatte keine Kraft, diesen Impuls zu unterdrücken, so sehr war ich damit beschäftigt, mich in der Sicherheit des Steinernen Herzens zu verschanzen. Ich verdrängte also einfach den Anblick ihres Körpers und den geschwätzigen Teil meines Bewusstseins, der angefangen hatte, Reime zu schmieden.
    Leicht fiel es mir nicht. Die Anstrengungen der Sympathie waren dagegen ein Kinderspiel. Hätte ich mich nicht an der Universität darin geübt, ich wäre daran zerbrochen und meiner Faszination hilflos erlegen.
    Felurian entspannte die gestreckten Glieder langsam wieder und sah mich mit uralten Augen an. Augen, wie ich sie noch nie gesehen hatte, in einem höchst ungewöhnlichen Farbton
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher