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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Autoren: Patrick Rothfuss
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halte ich sie. Ihre Hände vergraben sich in meinen Haaren und ziehen mich näher. Ihr Mund kommt mir entgegen, ihre Zunge züngelt scheu, ihr Atem erfüllt meinen Mund, meinen Kopf. Ihre warmen Brustspitzen streifen meine Brust. Sie duftet nach Klee, nach Moschus, nach reifen zu Boden gefallenen Äpfeln …
    Und dann gibt es kein Zögern mehr, keinen Zweifel. Ich weiß genau, was ich zu tun habe. Meine Hände streichen über ihren Nacken, ihr Gesicht, vergraben sich in ihren Haaren, gleiten an ihren glatten Schenkeln entlang, fassen sie fest an der Seite, umschließen ihre schmale Taille, heben sie hoch und legen sie hin …
    Lustvoll windet sie sich unter mir und seufzt wohlig. Umschließtmich mit den Beinen, krümmt den Rücken, fasst mich mit warmen Händen an Schultern und Armen, packt mich am Kreuz …
    Dann sitzt sie mit gegrätschten Beinen auf mir. Sie bewegt sich wild und ihre langen Haare gleiten über meine Haut. Sie wirft den Kopf in den Nacken, zittert am ganzen Leib und schreit etwas in einer Sprache, die ich nicht kenne. Ihre scharfen Nägel graben sich in die flachen Muskeln meiner Brust …
    Und ich höre Musik: die wortlosen Schreie, mit denen sie sich hebt und senkt, ihre Seufzer, mein hämmerndes Herz. Ihre Bewegungen werden langsamer, und ich umklammere wie von Sinnen ihre Hüften. Unser Rhythmus ist wie ein stummes Lied, wie plötzlicher Donner, wie das unbewusst gehörte Rollen einer fernen Trommel …
    Dann bleibt alles stehen. Mein Körper krümmt sich, ich bin gespannt wie eine Lautensaite. Zittere vor rasendem Sehnen. Ich bin zu straff gespannt und reiße …

Kapitel 96

Das Feuer selbst
     
    E ine Erinnerung streifte die Ränder meines Bewusstseins und ich erwachte. Ich öffnete die Augen. Über mir streckten sich Bäume zum dämmrigen Himmel. Seidene Kissen umgaben mich und neben mir lag nackt und mit vom Schlaf gelösten Gliedern Felurian.
    Sie sah so glatt und vollkommen aus wie eine Statue. Doch dann seufzte sie im Schlaf, und ich schalt mich für diesen Gedanken. Wusste ich doch, dass sie mitnichten aus kaltem Stein bestand, sondern warm und geschmeidig war und der glatteste Marmor im Vergleich zu ihr ein rauher Schleifstein.
    Ich streckte die Hand aus, um sie zu berühren, und hielt inne. Ich wollte den vollkommenen Anblick nicht stören. Ein ferner Gedanke regte sich in mir, aber ich verscheuchte ihn wie eine lästige Fliege.
    Felurians Lippen öffneten sich und sie seufzte. Es klang wie das leise Gurren einer Taube. Ich erinnerte mich an die Berührung dieser Lippen. Schon stieg die Sehnsucht wieder in mir auf, doch ich zwang mich, den Blick von dem weichen, wie ein Blütenblatt geformten Mund abzuwenden.
    Felurians geschlossene Augenlider trugen wie die Flügel eines Schmetterlings ein Muster aus ineinander verschlungenem tiefen Rot und Schwarz, durchzogen von blassgoldenen Flechten, die mit der Farbe ihrer Haut verschmolzen. Wenn sie die Augen sanft im Schlaf bewegte, veränderte sich das Muster, als bewege der Schmetterling die Flügel. Schon dieser Anblick war wahrscheinlich den Preis wert, den die Männer dafür bezahlen mussten.
    Ich verschlang Felurian mit den Augen. Alle Lieder und Geschichten, die ich je über sie gehört hatte, wurden ihr nicht annäherndgerecht. Sie war das, wovon Männer träumen. Unter all den Frauen an all den Orten, an denen ich gewesen war, hatte ich nur einmal eine Frau kennengelernt, die ihr gleich kam.
    Wieder meldete sich in meinem Kopf ein Gedanke, aber eine Bewegung von Felurians geschlossenen Augen lenkte mich ab. Felurian schürzte die Lippen, als wollte sie mich noch im Schlaf küssen. Verärgert verscheuchte ich den störenden Gedanken erneut.
    Dann würde ich eben verrückt werden oder sterben.
    Aber dann drang der Gedanke doch in mein Bewusstsein, und ich spürte, wie sich mir alle Haare sträubten. Ich erlebte einen Moment der vollkommenen Klarheit, wie wenn man nach Luft schnappend aus dem Wasser auftaucht und einatmet. Schnell schloss ich die Augen, um mich in das Steinerne Herz zu versenken.
    Doch vergebens. Zum ersten Mal in meinem Leben gelang es mir nicht auf Anhieb, diesen Zustand einer weltabgewandten Kälte herzustellen. Felurian lenkte mich trotz meiner geschlossenen Augen ab. Ihr süßer Atem, ihre weichen Brüste, die drängenden, halb verzweifelten Seufzer, die ihren hungrigen, blütenzarten Lippen entschlüpften …
    Stein.
Ich hielt die Augen geschlossen und hüllte mich in die Ruhe und Vernunft des Steinernen Herzens
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