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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Autoren: Patrick Rothfuss
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Aber seine Bewegungslosigkeit bedeutete nur, dass er nachdachte.
    Pausen sind in Gesprächen auf Ademisch von entscheidender Bedeutung,deshalb wartete ich geduldig. Stumm standen wir nebeneinander, erst eine, dann zwei Minuten, dann fünf, dann zehn … Zuletzt musste ich mich zwingen, weiter nur dazustehen. Vielleicht bedeutete Tempis Schweigen in diesem Fall doch eine höfliche Ablehnung.
    Ich hielt mich ja für so schrecklich klug. Ich kannte Tempi jetzt seit fast einem Monat und hatte rund tausend Wörter und fünfzig Handzeichen des Ademischen gelernt. Außerdem wusste ich, dass die Adem nichts Anstößiges an Nacktheit oder gegenseitigen Berührungen fanden, und drang ganz langsam in die Geheimnisse des Lethani ein.
    Oh ja, ich hielt mich für sehr schlau. Hätte ich wirklich etwas über die Adem gewusst, ich hätte nie gewagt, eine solche Bitte an Tempi zu richten.
    »Bringst du mir dafür das bei?« Er zeigte auf meinen Lautenkasten, der an einem Baum lehnte.
    Die Frage traf mich unvorbereitet. Ich hatte noch nie jemanden im Lautenspiel unterrichtet. Vielleicht wusste Tempi das ja und gab mir dadurch zu verstehen, dass es ihm mit dem Schwertunterricht ähnlich ging. Ich wusste, dass er gerne versteckte Andeutungen machte.
    Aber was er wollte, war nur recht und billig. Ich nickte. »Versuchen kann ich es.«
    Tempi nickte ebenfalls und zeigte auf eins der beiden Schwerter, die wir in die engere Wahl gezogen hatten. »Nimm das. Aber kämpfe nicht damit.« Er wandte sich ab und ging. Damals schrieb ich das seinem wortkargen Wesen zu.
    Wir durchsuchten das Lager den ganzen Tag lang nach brauchbaren Dingen. Marten sammelte mehrere Pfeile ein und alle Bogensehnen, die er finden konnte. Außerdem nahm er noch vier vom Blitz nicht beschädigte Langbögen mit, nachdem er uns zuvor gefragt hatte, ob wir sie wollten. Sie waren sperrig, doch hoffte er sie in Crosson für gutes Geld zu verkaufen.
    Dedan wählte ein Paar Stiefel und eine gepanzerte Weste, die ansehnlicher war als die, die er trug, außerdem ein Kartenspiel und einen Satz elfenbeinerne Würfel.
    Hespe nahm sich eine Panflöte und ein Dutzend Messer, die sie zuunterst in ihrem Bündel verstaute und später verkaufen wollte.
    Sogar Tempi fand etwas nach seinem Geschmack: einen Schleifstein, ein Salzfässchen aus Messing und leinene Hosen, mit denen er gleich zum Bach ging, um sie in dem vertrauten Blutrot zu färben.
    Ich selber nahm weniger als die anderen. Ein kleines Messer als Ersatz für das abgebrochene und ein Rasiermesser mit einem Griff aus Horn. Ich brauchte mich zwar nicht oft zu rasieren, hatte es mir am Hof des Maer aber angewöhnt. Natürlich hätte ich wie Hespe weitere Messer einstecken können, aber mein Reisesack war aufgrund der Kassette des Maer auch so schon unangenehm schwer.
    Man mag es makaber finden, wie wir das Lager plünderten, aber das ist nun mal der Lauf der Welt. Aus Räubern werden Beraubte, und die Zeit macht uns alle zu Egoisten und Halsabschneidern.

Kapitel 94

Über Stock und Stein
     
    W ir beschlossen, der Karte, die wir gefunden hatten, zu vertrauen, und marschierten geradewegs nach Westen durch den Wald in Richtung Crosson. Selbst wenn wir das Dorf verfehlten, mussten wir früher oder später auf die Straße treffen, und wir ersparten uns dadurch viele Meilen Fußmarsch.
    Wegen Hespes verletztem Bein kamen wir nur langsam voran. An jenem ersten Tag schafften wir nur sechs oder sieben Meilen. Während einer unserer vielen Pausen begann Tempi mich in den Übungen des Ketan zu unterrichten.
    Narr, der ich war, hatte ich geglaubt, er hätte das bereits früher getan. In Wirklichkeit hatte er nur meine schlimmsten Fehler korrigiert, weil sie ihn geärgert hatten, so wie ich jemandem, der auf einer verstimmten Laute klimperte, die Laute weggenommen und sie gestimmt hätte.
    Der Unterricht war dagegen etwas ganz anderes. Wir fingen am Anfang des Ketan an, und Tempi verbesserte meine Fehler. Alle meine Fehler. Allein in der ersten Übung fand er achtzehn, und der Ketan besteht insgesamt aus über hundert solchen Übungen. Ich bekam schon nach kurzem Zweifel an meinen Fähigkeiten.
    Im Gegenzug begann ich Tempi im Lautenspiel zu unterrichten. Ich spielte im Gehen verschiedene Noten und sagte ihm ihre Namen. Dann zeigte ich ihm einige Akkorde.
    Wir hofften, Crosson bis Mittag des folgenden Tages zu erreichen. Doch am Vormittag gelangten wir an einen öden, übel riechenden Sumpf, der nicht auf der Karte verzeichnet war.
    Die
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