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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche
Autoren: Phil Rickman
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jetziges Metier nicht mehr unbedingt gehören – das würde sie Robin bald beichten müssen.
    «Das Papier sieht alt aus», sagte Robin. «Jedenfalls ist die Tinte schon braun geworden.»
    «Mein Gott, Rob, das stammt garantiert aus der Epoche vor   … Mensch, wahrscheinlich sogar
vor
1980.»
    Er sah sie mit einem Blick an, der sagte: Dir fehlt auch jeder Sinn für Romantik.
    Was nicht stimmte. Sie fand nur einfach, dass man zwischen wahren Einsichten und vorübergehenden Eindrücken, zwischenflüchtigen Empfindungen und echten Gefühlen unterscheiden sollte.
    Und im Moment empfand sie ein großes Unbehagen – vor allem seit ihrer Vision von dem betenden Mann in der Kirche. Sie wünschte, der Kasten wäre nicht abgegeben worden. Sie wünschte, sie müsste nicht erfahren, was darin war.
     
    Robin legte das gefaltete Papier auf den Tisch und sah es an, ohne es zu berühren. Er gab sich ganz dem Moment hin, dem
Hier
und
Jetzt
.
    Und der Missbilligung seiner Herzensdame.
    Okay, er würde sofort zugeben, dass er all das liebte: dieses Zwielichtige, diese Nähe von etwas Göttlichem. Er würde zugeben, dass er es nicht mochte, wenn die Dinge allzu klar und deutlich waren, dass er am liebsten gleichzeitig im Diesseits und im Jenseits zu Hause gewesen wäre – um indirekt mit den
alten
Welten in Verbindung zu stehen.
    Was war daran so verkehrt? Er sah die wilde Dame mit dem goldenen Haar an, die Rhiannon oder Artemis oder Titania sein sollte, aber immer und ewig darauf bestand, ganz prosaisch
Betty
genannt zu werden (dieses perverse Bedürfnis, normal zu erscheinen).
Sie
wusste, was er brauchte – dass er nicht zu viele Mysterien erklärt haben wollte. Außerdem wollte er nicht, dass die Parallelwelt so genau kartiert wurde wie die Londoner U-Bahn . Es waren die weniger offensichtlichen Zusammenhänge, die spinnwebartigen Verbindungen, die ihm einen Beruf und ein gutes Auskommen verschafft hatten. Er war Robin Thorogood: Illustrator und Seelenverführer und Hüter der sanft beleuchteten Eingänge in andere, geheimnisvollere Welten.
    Der Kasten   … sicher, er
war
interessanter gewesen, bevor sie ihn geöffnet hatten. Es sei denn, das Papier entpuppte sich als Schatzkarte.
    Er schob es Betty rüber. «Willst
du
feststellen, was das ist?»
    Sie schüttelte den Kopf. Sie würde sich dem Papier noch nicht mal weiter nähern. Robin verdrehte die Augen und nahm es in die Hand. Es öffnete sich wie ein Fächer.
    «Also, es ist handgeschrieben.» Er glättete es auf dem Tisch.
    «Sei dir da nicht zu sicher», sagte Betty. «Mit dem Computer oder Scanner kannst du alles Mögliche simulieren, das machst du doch selbst die ganze Zeit.»
    «O.   k., es ist also alles Beschiss. Kirk Blackmore hat es zusammengebastelt.»
    «Wenn es Kirk Blackmore gewesen wäre», sagte Betty, «wäre der Kasten mit lächerlichen Runenzeichen verziert, und beim Öffnen wären Trockeneis-Wolken aufgestiegen.»
    «Vermutlich. Oh
nein

    «Was ist?»
    «Das ist irgendein verdammtes religiöses Zeug. Von den Zeugen Jehovas oder so.»
    «Zeig mal her.» Betty ging um den Tisch herum und besah sich widerstrebend die braune Tinte. «‹Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen, Amen, Amen   …› Dreimal Amen.»
    «Sehr dogmatisch.»
    «Hmmm.» Betty las schweigend weiter, ohne das Papier zu berühren. Sie stand direkt unter einer der baumelnden Glühbirnen, und ihre Haare schimmerten wie Wintergerste. Robin liebte es, dass ihr Haar ein Eigenleben zu führen schien.
    Sie schluckte und trat einen Schritt zurück.
    «Was?», sagte er heiser.
    «Lies.»
    «Ist es ein Drohbrief?»
    Sie schüttelte den Kopf und ging zu dem alten Rayburn-Ofen, in dem das Feuer rumorte.
    Robin beugte sich über das Dokument. Einiges war auf Latein, was er nicht beherrschte. Aber es gab eine Zeile mit Symbolen, die ihn sofort in Aufregung versetzte.

    Darunter begann ein englischer Text. Einige Worte sagten ihm nichts. Die Bedeutung allerdings war klar.
     
    Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes
    Amen Amen Amen   …
    Oh Herr Jesus Christus, Heiland und Retter. Ich erflehe die Errettung aller, die der Hexerei und den Kräften des Bösen verfallen sind, Männern oder Frauen oder Geistern oder Zauberern oder der Härte des Herzens Amen Amen Amen   …
    Dei nunce   … Amen Amen Amen Amen Amen.
    Bei Jehova, Jehova und dem Unaussprechlichen Namen.
    17317   … Herr Jehova   … und bei der Kraft dieser Namen, dieser heiligen Namen,
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