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Die Fünf Tore 1 - Todeskreis

Titel: Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
Autoren: Anthony Horowitz
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Matt starrte auf die Scherben und das Wasser, das vom Tisch tropfte. Hatte die Hitze im Zimmer den Krug platzen lassen? Oder hatte er das getan? Hatte sein Durst auf irgendeine unerklärliche Weise den Krug zum Explodieren gebracht?
    Die Erschöpfung überwältigte ihn zum zweiten Mal, und er fiel in einen unruhigen Schlaf. Als er am nächsten Morgen aufwachte, waren die Scherben verschwunden. Auf dem Tisch standen ein Glaskrug mit Wasser und ein einzelnes Glas, genau an derselben Stelle wie am Abend zuvor. Matt entschied, dass das Ganze nur ein verrückter Traum gewesen war.

EIN NEUES LEBEN
     
    Vier Leute sahen Matt von der anderen Seite eines langen Tisches aus prüfend an. Es war einer von diesen Räumen, in denen Leute heirateten – oder sich scheiden ließen. Nicht ungemütlich, aber nüchtern und formell, mit holzgetäfelten Wänden, an denen Porträts von vermutlich längst toten Leuten hingen. Matt war in London, wo genau, wusste er nicht. Auf der Fahrt hatte es so sehr geregnet, dass er nichts gesehen hatte, und der Wagen hatte direkt vor der Tür eines modernen, unscheinbaren Gebäudes gehalten. Matt hatte keine Zeit gehabt, sich umzusehen.
    Seit Matts Verhaftung war eine Woche vergangen. In dieser Zeit hatte man ihn verhört, untersucht und viele Stunden alleingelassen.
    Er hatte unzählige Fragebögen ausfüllen müssen, die ihn an Klassenarbeiten erinnerten, aber vollkommen sinnlos schienen. »2, 8, 14, 20 … Welches ist die nächste Zahl in dieser Zahlenfolge?« Und: »Wie viele Schreibfehler findest du in diesem Satz?« Verschiedene Männer und Frauen – Ärzte und Psychologen – hatten ihn aufgefordert, über sich zu sprechen. Sie hatten ihm Farbkleckse auf Papier gezeigt. »Wonach sieht das für dich aus? Woran musst du denken, wenn du diese Form siehst?« Und sie hatten Spiele mit ihm gemacht – Wortspiele und solches Zeug.
    Schließlich hatten sie ihm gesagt, dass er abreisen würde. Ein Koffer mit seinen Sachen war aufgetaucht, den seine Tante für ihn gepackt haben musste. Und nach einer zweistündigen Fahrt in einem ganz normalen Auto – nicht einmal einem Polizeiwagen – war er hier gelandet. Der Regen prasselte immer noch gegen die Fensterscheiben und nahm ihm jede Sicht nach draußen. Er hörte, wie die Tropfen gegen die Scheibe hämmerten, als verlangten sie Einlass.
    Es kam ihm vor, als hätte sich die gesamte Außenwelt aufgelöst und nur die fünf Leute in diesem Raum wären übrig geblieben.
    Ganz links saß seine Tante, Gwenda Davis. Sie betupfte sich die Augen mit einem Taschentuch und verschmierte dabei ihre Wimperntusche. Ein schmutzig brauner Mascara-Streifen zog sich quer über ihr Gesicht. Neben ihr saß Detective Superintendent Mallory und sah demonstrativ in die andere Richtung. Die dritte Person am Tisch war eine Richterin, die Matt heute zum ersten Mal sah. Sie war ungefähr sechzig Jahre alt, sehr korrekt gekleidet, trug eine Brille mit Goldrand und machte einen ernsthaften Eindruck. Im Laufe der Jahre schien sich ein missbilligender Blick tief in ihr Gesicht eingegraben zu haben. Rechts von ihr saß Matts Sozialarbeiterin Jill Hughes, eine grauhaarige Frau, die etwa zehn Jahre jünger war als die Richterin. Sie war für Matt zuständig, seit er elf Jahre alt war.
    Die Richterin sprach.
    »Matthew, hör mir genau zu. Du musst begreifen, dass das ein überaus feiges Verbrechen war, bei dem es außerdem noch zu einer Gewalttat gekommen ist«, sagte sie. Sie hatte eine sehr präzise und knappe Art zu sprechen. »Dein Mittäter, Kelvin Johnson, wird vor Gericht gestellt werden und mit ziemlicher Sicherheit in einer Jugendstrafanstalt enden. Er ist siebzehn. Du dagegen bist jünger, hast aber dennoch das Alter der Strafmündigkeit erreicht. Wenn du angeklagt würdest, müsstest du damit rechnen, für etwa drei Jahre in eine Besserungsanstalt oder in ein geschlossenes Heim für schwer erziehbare Kinder zu kommen.«
    Die Richterin verstummte und öffnete eine Akte, die vor ihr auf dem Tisch lag. Das Umblättern der Seiten kam Matt in der plötzlichen Stille sehr laut vor.
    »Du bist ein intelligenter Junge«, fuhr sie fort. »Ich habe hier die Ergebnisse der Tests vorliegen, denen du in der vergangenen Woche unterzogen wurdest. Obwohl deine schulischen Leistungen zu wünschen übrig lassen, scheinst du im Rechnen und Schreiben gute Anlagen zu haben. Dem psychologischen Bericht zufolge bist du kreativ und hast ein rasches Auffassungsvermögen. Deshalb bin ich erstaunt, dass
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