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Die Fünf Tore 1 - Todeskreis

Titel: Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
Autoren: Anthony Horowitz
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ihn nie kennengelernt, was nicht weiter verwunderlich war, denn Charlie saß im Gefängnis. Kelvin sprach nicht oft über ihn, aber es war Charlie, der von dem Lagerhaus gehört und Kelvin davon erzählt hatte.
    Anscheinend lag es fünfzehn Minuten vom Bahnhof entfernt in einem Industriegebiet. Ein Lagerhaus voller CDs, Videospiele und DVDs. Erstaunlicherweise hatte es keine Alarmanlage und nur einen einzigen Wachmann, einen pensionierten Polizisten, der die meiste Zeit halb schlafend mit hochgelegten Füßen dasaß und eine Zeitung vor der Nase hatte. Charlie wusste das alles, weil ein Freund von ihm dort gewesen war, um irgendwelche Elektroarbeiten auszuführen. Charlie zufolge reichte eine aufgebogene Büroklammer, um reinzukommen, und dann konnte man beladen mit Zeug, das mindestens ein paar Hunderter brachte, wieder gehen. Es war total einfach – der Kram wartete nur darauf, dass ihn jemand mitnahm.
    Deshalb hatten sie verabredet, sich hier zu treffen. Matt hatte zugestimmt, als Kelvin ihm davon erzählt hatte, aber eigentlich nur, weil er sicher war, dass Kelvin es ohnehin nicht ernst meinte. Die beiden hatten schon andere krumme Dinger gedreht. Unter Kelvins Anleitung hatte Matt im Supermarkt geklaut, und einmal waren sie auch in einem fremden Auto herumgefahren. Aber Matt war klar, dass das, was sie jetzt vorhatten, viel schlimmer war. Es war Einbruch. Ein richtiges Verbrechen.
    »Bist du sicher, dass wir das tun sollen?«, vergewisserte sich Matt.
    »Klar bin ich sicher. Wo liegt das Problem?«
    »Und wenn wir erwischt werden?«
    »Werden wir nicht. Charlie sagt, dass die nicht einmal Videoüberwachung haben.« Kelvin stellte einen Fuß auf die Mauer. Matt sah sofort, dass er nagelneue Nikes trug. Er hatte sich schon oft gefragt, wie Kelvin sich die teuren Sachen leisten konnte. Jetzt wusste er es wohl.
    »Komm schon, Matt«, drängte Kelvin. »Was ist denn schon dabei?«
    Kelvin sah ihn abschätzig an, und in diesem Moment wurde Matt klar, dass er keine Wahl hatte. Wenn er nicht mitging, würde er seinen einzigen Freund verlieren. Als er damals auf die neue Schule in Ipswich gekommen war, hatte Kelvin sich um ihn gekümmert. Die anderen Schüler hatten ihn für einen Spinner gehalten oder versucht, ihn zu quälen. Doch Kelvin hatte ihn beschützt. Und es war sehr praktisch, dass Kelvin nur ein paar Türen von Matt entfernt wohnte. Wenn es zu Hause bei seiner Tante unerträglich wurde, wusste Matt immer, wohin er gehen konnte. Außerdem musste er zugeben, dass es ihm schmeichelte, einen Freund zu haben, der drei Jahre älter war.
    »Nichts ist dabei«, sagte er. »Ich komme mit.«
    Und das war alles. Die Entscheidung war gefallen. Matt hatte Angst, doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Kelvin schlug ihm anerkennend auf den Rücken, und sie machten sich auf den Weg.
    Es wurde schnell dunkel. Obwohl es schon fast Ende März war, war der Frühling noch nicht in Sicht. Es hatte den ganzen Monat fast pausenlos geregnet, und die Nacht schien früher hereinzubrechen, als sie sollte. Als sie das Industriegebiet erreichten, gingen die Straßenlaternen an und warfen hässliche orangefarbene Lichtkreise auf den Boden. Rund um das Gelände standen Schilder, auf denen Privatbesitz stand, aber der Zaun war verrostet und voller Löcher, und das einzige weitere Hindernis waren hohes, dürres Gras und trockene Disteln, die dort wucherten, wo der Asphalt endete. Quer über das Gelände verlief eine Bahnlinie auf gemauerten Stützen. Als sich die beiden Jungen in ihrem Schatten anschlichen, donnerte über ihren Köpfen ein Zug nach London vorbei.
    Insgesamt waren es rund ein Dutzend Gebäude. Kelvins Lagerhaus war ein rechteckiger Klotz mit Wänden aus Wellblech und einem schrägen Dach. Es stand ein wenig abseits von den anderen, und überall lag Müll herum – zerbrochene Flaschen, alte Kartons und Autoreifen. Nirgendwo rührte sich etwas. Das ganze Gelände sah aus, als hätten die Besitzer es längst vergessen.
    Der Haupteingang des Lagerhauses, eine große Schiebetür, lag an der Vorderfront. Es gab keine Fenster, und Kelvin führte Matt zu einer kleineren Seitentür. Die beiden liefen jetzt geduckt und auf Zehenspitzen. Matt versuchte, sich zu entspannen und den Kitzel des Abenteuers zu genießen. Es war doch ein Abenteuer, oder nicht? In einer Stunde würden sie darüber lachen – mit den Taschen voller Geld. Aber er war trotzdem nervös, und als Kelvin ein Messer herausholte, krampfte sich sein Magen
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