Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose
Autoren: Jutta Oltmanns
Vom Netzwerk:
Haut wies die für Seeleute kennzeichnende tiefe Bräuneauf, und an seiner rechten Stirnseite war er von einem großen Muttermal gezeichnet, das eher interessant als abstoßend wirkte. Blauschwarzes Haar fiel ihm in groben Locken bis auf die Schultern und kräuselte sich um Stirn und Schläfen. Doch was Inken mehr als alles andere in seinen Bann zog, waren seine strahlend blauen Augen! Sie schienen direkt in ihr Innerstes vorzustoßen und es zu durchdringen. Inken versuchte, den Blick von dem Fremden zu lösen, doch es gelang ihr erst, als Hugues sich erhob und dem Schmugglerkönig auf die Schulter schlug.
    „Cirk, endlich, ich dachte schon, die Haie hätten dich gefressen!“
    „Du meinst die Französischen?“ Der Blockadebrecher verzog spöttisch die Mundwinkel. „Nein, vor dem Seewolf hat mir eine hübsche Maid ihre Aufwartung gemacht. Du weißt schon“ – seine Hände zeichneten eine Frauengestalt mit ausgeprägten Rundungen in die Luft – „so eine mit allem Drum und Dran. Fast wäre ich der Versuchung erlegen, doch dann fiel mir wieder ein, dass hier drin so ein windiger Franzose auf mich wartet. Da musste ich der Kleinen leider den Laufpass geben.“
    Seine Augen wanderten nun von seinem Freund zu Inken. Neugier war in ihnen zu lesen, ebenso wie eine Spur von Unverständnis. „Lässt du jetzt schon Kinder für dich arbeiten?“ Der Schwarzhaarige zwinkerte Hugues zu und zeigte gleichzeitig mit dem Finger auf Inken.
    Dieser stieg die Röte ins Gesicht. „Ich bin kein Kind mehr!“ Wütend funkelte sie ihn an. „Außerdem zeigt man nicht mit dem Finger auf andere Leute.“
    „Oh!“ Der Schmuggler schüttelte seine Hand. „Der kleine Kerl hat aber Haare auf den Zähnen. Hugues, hat er dich etwa gezwungen, ihn einzustellen?“
    „Cirk, mäßige dich.“ Hugues lachte und wandte sich dann an Inken. „Also, das ist Cirk Hoogestraat – wie er leibt und lebt. Und das“ – er deutete auf Inken – „ist ein Schiffsjunge, aber eigentlich ... “ Hugues wollte noch etwas hinzufügen, doch Cirk winkte ab. Er betrachtete Inken mit zusammengekniffenen Augen. Dann pfiff er leise durch die Zähne.
    „Ein Schiffsjunge also“, meinte er schließlich, wobei er die Betonung auf das Wort „Junge“ legte. Inken fühlte sich unbehaglich unter seinem scharfen Blick. Ängstlich griff sie sich an den Kopf, um zu kontrollieren, ob ihre Haare auch noch alle unter der Mütze verschwunden waren. Cirk verfolgte jede ihrer Bewegungen.
    „Ja, ein Schiffsjunge“, äffte Inken Cirk nach. Sie verschränkte die Arme vor dem Körper und schaute ihm wütend ins Gesicht. Was bildete sich dieser selbstgefällige Kerl eigentlich ein?
    „Ach, wirklich?“ Der Schmuggler konnte sich das Lachen kaum verkneifen, und Inken wusste instinktiv, dass Cirk ihre Verkleidung durchschaut hatte.
    Ihre Hand krampfte sich so fest um den Bierkrug, dass die Knöchel weiß hervortraten. Am liebsten hätte sie diesem arroganten Menschen unter dem Tisch kräftig gegen das Schienbein getreten. Und wenn er nicht bald aufhörte, sie anzustarren, würde sie das auch noch tun!
    In diesem Moment beugte Cirk sich jedoch flüsternd zu Inken vor. „Verschränk die Arme möglichst nicht vor dem Körper. Für einen Schiffsjungen“ – er betonte wieder das Wort „Junge“ – „sieht man dabei zu viel Rundungen.“
    Inken schnappte nach Luft und legte blitzschnell die Hände auf den Tisch. Röte stieg ihr ins Gesicht. Was fiel diesem Mann nur ein? In seinen Augen, die sie jetzt ungeniert musterten, lag ein spöttischer Ausdruck.
    „Er amüsiert sich köstlich“, dachte Inken, die nicht mehr wusste, wie sie sich verhalten sollte. Ängstlich blickte sie sich um. War den anderen Gästen auch schon aufgefallen, dass sie ein Mädchen war? Kaum merklich schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf.
    „Ich habe ein gutes Auge für kleine Unterschiede.“
    Was für ein widerlicher Angeber! Sie war froh, als Hugues den Schmuggler von ihr ablenkte.
    „Ein Vogel hat mir gezwitschert, dass die neuen Kontrolleure scharfe Hunde sind. Cirk, es soll einen Spitzel unter den Emdern geben, der dich verraten will. Flugblätter, in denen eine Belohnung auf deinen Kopf ausgesetzt ist, finden sich in der Stadt ja fast so viele wie Blätter an den Bäumen. Sei vorsichtig, mein Freund. Du bist nicht gerade eine unauffällige Erscheinung, und eigentlich ist es leichtsinnig, hierherzukommen. Vielleicht solltest du für eine Weile untertauchen!“
    „Ja, das werde ich wohl tun
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher