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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose
Autoren: Jutta Oltmanns
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Rachenputzer auf meine Rechnung. Vielleicht wächst er dann noch!“
    Dröhnendes Gelächter ertönte, in das Hugues mit einstimmte. Zwar zeigte er dem Bärtigen gespielt empört die Faust, nahm aber den Schnaps dankend entgegen.
    Inken maß den Mann neben sich mit einem neugierigen Blick. Der Franzose besaß eine Zuvorkommenheit, die ihr fremd war. Ob es ihn wohl anstrengte, so höflich zu sein? Jedenfalls ging eine Leichtigkeit von ihm aus, die für Inken unverständlich war. Er schien das Leben genauso wenig ernst zu nehmen wie sich selbst.
    Kein Funke von Erstaunen hatte auf Hugues Gesicht gelegen, als die Ditzumer Fischer sie bei ihm abgeliefert hatten. Als ob es selbstverständlich sei, dass ein junges Mädchen als Schiffsjunge verkleidet von einer Insel floh und bei ihm Unterschlupf suchte. Bot er tatsächlich jedem so einfach sein Haus und seine Hilfe an? Doch wie auch immer, bereits nach einem Tag in seiner Gegenwart wusste Inken, dass Garrelt Recht gehabt hatte: Hugues war wirklich ein außergewöhnlicher Mann!
    Und so saßen sie nun nebeneinander in dieser überfüllten Emder Hafenkneipe und warteten auf den Schmugglerkönig.
    „Eigentlich muss Cirk jeden Augenblick kommen.“ Der Zöllner machte ein etwas besorgtes Gesicht.
    Inken starrte dagegen missmutig auf den Tisch. Sie hatte nur wenig Lust auf ein Zusammentreffen mit diesem ihr etwas anrüchig erscheinenden Helden. Aber da Hugues den Wirt außerdem auch wegen eines Zimmers für sie fragen wollte, blieb ihr nichts weiter übrig, als sich zu gedulden. Aber war die Idee, hier zu übernachten, denn wirklich eine gute? Inkens Blicke glitten abschätzend durch den Schankraum. Je mehr die Männer um sie herum tranken, desto raubeiniger benahmen sie sich.
    „Gut, dass ich ein Schiffsjunge bin“, flüsterte sie dem Franzosen zu und nickte bedeutungsvoll in Richtung der Schankmaid, die sich kaum noch gegen die aufdringlichen Gesten der Männer wehren konnte.
    „Keine Angst, es sieht zwar gefährlich aus, weil die Gäste etwas angetrunken sind, aber eigentlich ist dies kein Ort, an dem man sich fürchten muss“, beruhigte Hugues sie. „Der Wirt hält ein wachsames Auge darauf, dass es nicht zu Handgreiflichkeiten und Unziemlichkeiten gegenüber den Schank- mädchen kommt. Er ist eine Seele von Mensch, aber wehe die Wut packt ihn! Und das wissen die Männer ganz genau. Ich werde gleich mal mit ihm reden, wegen eines Plätzchens zum Übernachten für dich. Und morgen kommt ja schon der Torfkahn aus Großefehn, mit dem du dann ins Moor fahren kannst. Mach dir nicht zu viele Sorgen. Komm, trink lieber ein Bier mit mir.“
    Inken schüttelte abwehrend den Kopf, doch Hugues ließ sich nicht beirren und hob seinen Becher. „Ein Schiffsjunge wird ja wohl kaum Tee trinken“, murmelte er ihr zu, aberschon beim ersten Schluck verzog Inken angewidert das Gesicht. Für dieses Gebräu würde sie sich, im Gegensatz zu den anderen Gästen, niemals begeistern können.
    „Wie kommt es eigentlich, dass es hier an einem Wochentag so voll ist? Samstags müssen sich die Gäste ja geradezu stapeln.“
    Hugues beugte sich flüsternd zu ihr herüber. „Es ist so gut besucht, weil Cirk heute von Helgoland gekommen ist und so einiges an Schmuggelgut von hier aus verteilt wird. Der Wirt nimmt Bestellungen entgegen und liefert sie dann auch aus.“ Hugues nickte in Richtung Tresen, und Inken sah, wie der Kneipenbesitzer mit zwei Gästen durch die Hintertür verschwand. „Morgen kommen das Treidelschiff von Aurich und einige Torfkähne aus den Fehndörfern. Dann verschwindet auch die restliche Ware. Oh“ – der Franzose sprang auf – „na endlich, da kommt Cirk.“
    Inken wandte den Kopf zur Tür. Ein groß gewachsener, dunkelhaariger Mann betrat den Raum, und für einen Augenblick erstarben die Gespräche. Einige Männer nickten dem Fremden zu, andere hoben den Krug, doch dann nahmen sie ihre Gespräche wieder auf, und die gewohnte Lautstärke stellte sich ein.
    Im rauchverhangenen Licht musterte Inken den Fremden. Er trug braune Hosen und ein einfaches weißes Leinenhemd. Äußerlich unterschied er sich kaum von den anderen anwesenden Gästen, und doch hatte sein Auftreten etwas, das ihn aus der Menge heraushob. Es mochte an seiner Größe und dem athletischen Körperbau liegen. Inkens Blick wanderte verstohlen zu seinem Gesicht, das scharf geschnitten und nicht eigentlich schön zu nennen war. Dennoch wirkte der Fremde auf eine bestimmte Art und Weise gut aussehend. Seine
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