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Die Frauen von Nell Gwynnes

Die Frauen von Nell Gwynnes

Titel: Die Frauen von Nell Gwynnes
Autoren: Kage Baker
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Vorlieben und Abneigungen unserer Kunden höchst praktisch.“
    „Das denke ich mir. Wann wird eine Erpressung denn nötig, wenn ich fragen darf?“
    „Wenn die Geschellschaft sie benötigt. Das kommt nicht sehr häufig vor. Sie kann auch selbst sehr überzeugend sein und muss nur in seltenen Fällen solch extreme Massnahmen ergreifen. Aber man weiss nie.“ Mrs. Corvey hängte die Photoabzüge zum Trocknen auf und betätigte den Hebel, der die roten Lampen verlöschen liess. Sie verliessen den Raum und schlossen die Tür hinter sich. Die beiden Frauen betraten den verborgenen Korridor zwischen den abgeschotteten Räumen, aus denen im Wechsel Laute der Leidenschaft, flehende Schreie und gelegentlich das rhythmische Zischen und Knallen eines Rohrstocks über inbrünstigen Bekenntnissen von Ungezogenheiten zu hören waren.
    „Sind alle Kunden Männer von Stand?“, wollte Lady Beatrice wissen und musste ihre Stimme etwas erheben, um sich Gehör zu verschaffen, weil in einem der angrenzenden Räumen ein tiefer Bariton bekannte: „Ja! Ja! Ich habe die Kuchen gestohlen!“
    „In der Regel ja, aber dann und wann bedienen wir auch Männer der Spekulativen Gesellschaft. Diese Genossen regeln die Geschicke der Gesellschaft draussen, die Laufarbeit sozusagen. Sie haben dieselben Bedürfnisse wie alle Männer, und die meisten arbeiten deutlich härter. Daher sind wir gern zu Diensten. Natürlich ist das etwas ganz anderes als unsere Dienste für Staatsmänner und Konsorten.
    Tatsächlich gibt es einen eher charmanten Brauch – zumindest ich empfinde ihn so –, nämlich die neuen Mitarbeiter zu verwöhnen, ehe sie erstmals im Dienste der Gesellschaft aufbrechen. So haben sie etwas Schönes für den Weg, die armen Kerle, denn dann und wann fallen sie in Erfüllung ihrer Pflicht. Traurig.“
    „Ist ihre Arbeit denn gefährlich?“
    „Sie kann es sein.“ Mrs. Corvey machte eine vage Geste. Sie betraten den abgeschiedenen Raum, der ihr als Büro diente, durch ein bewegliches Wandpaneel und schlossen es gerade, als Violet, das Mädchen für alles, von der Rezeption hereintrat.
    „Mrs. Corvey, wenn es geht – Mr. Felmouth kam vor einer Minute mit dem Aufsteigenden Raum an, um seine Aufwartung zu machen. Er hat seinen Koffer dabei.“
    „Dann wird er seinen Tee wollen. Wie reizend! Ich hatte gehofft, man würde uns ein paar neue Spielzeuge bewilligen.“ Mrs. Corvey hob ein Gerät von ihrem Schreibtisch, eine Art Sprachrohr aus Messing und schwarzem Wachs, und sprach nach einem kurzen Augenblick hinein: „Tee, bitte, und einen Teller mit Leckereien. In den Empfangsraum. Danke.“
    Sie legte das Gerät weg. Lady Beatrice betrachtete es in stiller Bewunderung. „Eine weitere Erfindung der Spekulativen Gesellschaft?“
    „Sie hat es nur gebaut; die Erfindung stammt von einer unserer Damen. Miss Gleason. Sie hat sich von dem Bonus in einem hübschen Landhäuschen in Schottland zur Ruhe gesetzt, was mich sehr freut. Jedes Jahr zu Weihnachten schickt sie uns ein Dutzend Moorhühner. Nun folgen Sie mir, meine Liebe, und ich stelle Sie Mr. Felmouth vor. So ein diensteifriger Mann!“

Kapitel 5
    In welchem wir geniale Geräte kennenlernen.

    D er Empfangsraum war um einiges grösser als ein Privatgemach, mit edler, alter, dunkler Wandvertäfelung aus Holz und einem dicken Teppich. Weitere De-la-Rue-Lampen hinter gefärbten Glasscheiben beleuchteten ihn. Ein Herr mittleren Alters hatte bereits Hut und Mantel abgelegt und aufgehängt sowie seine Hemdsärmel hochgerollt. Er sass auf der Kante eines Diwans und wühlte mit vorgebeugtem Oberkörper in einem offenen, kleinen Koffer. Als sie eintraten, sprang er auf.
    „Mr. Felmouth“, sagte Mrs. Corvey und streckte ihm die Hand entgegen.
    „Mrs. Corvey!“ Mr. Felmouth verbeugte sich, ergriff die dargebotene Hand und küsste sie.
    „Darf ich unsere neue Schwester vorstellen? Lady Beatrice. Lady Beatrice, das ist Mr. Felmouth von der Spekulativen Gesellschaft. Er ist einer ihrer geschicktesten Handwerker.“
    „Wie ist das werte Befinden?“
    „Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Ma’am“, sagte Mr. Felmouth leicht stammelnd. Er hustete, errötete und zupfte unsicher an seinen hochgekrempelten Ärmeln. „Ich hoffe, Sie werden meinen Aufzug entschuldigen, meine Liebe – man verliert sich so schnell in seiner Arbeit.“
    „Bitte setzen Sie sich“, sagte Mrs. Corvey und liess sich nieder. In diesem Moment erklang ein Glöckchen, und eine bisher unsichtbare Tür in den
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