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Die Frauen von Nell Gwynnes

Die Frauen von Nell Gwynnes

Titel: Die Frauen von Nell Gwynnes
Autoren: Kage Baker
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da es bei den Kunden geradezu elektrische Spannung erzeugte. Allerdings besuchten Mrs. Corvey und Herbertina mit ihr den Schneider und liessen einige Ensembles in sozialverträglicheren Farben für den Alltag erstellen. Mrs. Otley schenkte ihr eine Statuette der Göttin Athene aus ihrer Antiquitätensammlung, denn, so sagte sie: „Du gleichst ihr so sehr, meine Liebe, mit diesen aussergewöhnlichen Augen!“
    Alles in allem empfand Lady Beatrice ihre neue Situation als äusserst angenehm.
    ***
    „Aber Herr Major, Sie werden mir doch nicht den Rohrstock geben, oder?“, quietschte Herbertina. „Nicht für ein derart geringes Vergehen?“
    „Ich werde mehr tun, als Ihnen den Rohrstock geben, Sie junger Teufel!“ Der Major, beziehungsweise das Parlamentsmitglied in der Majorsuniform grinste anzüglich. Er packte Herbertina am Arm und zerrte sie unter Protest zu einer gepolsterten Sitzbank. „Hosen runter und vorbeugen!“
    „Oh, Herr Major! Muss ich?”
    „Das ist ein Befehl! Bei Gott, Sir, ich werde Sie lehren, was Gehorsam bedeutet!“
    „Blicken Sie durch diesen Sucher und justieren Sie die Linse, bis das Bild scharf ist“, flüsterte Mrs. Corvey im dunklen angrenzenden Raum. Lady Beatrice spähte in die Kamera und erblickte den etwas verschwommenen Major, der fröhlich seine eigene Reithose fallen liess.
    „Wie justiert man ihn?“, erkundigte sich Lady Beatrice.
    „Dieser Ring lässt sich drehen“, erklärte Mrs. Corvey und zeigte darauf. Lady Beatrice drehte ihn, und der Major stellte sich scharf, ganz deutlich in flagranti delicto . Herbertina sah eher gelangweilt aus, während sie in jungenhaftem Schrecken aufschrie.
    „Jetzt drücken Sie auf den Auslöser“, sagte Mrs. Corvey. Lady Beatrice tat es. Die Gaslampen im Nachbarzimmer flackerten für einen Augenblick, doch der Major war viel zu abgelenkt, um die plötzliche Helligkeit wahrzunehmen oder das leise Klicken zu hören.
    „Haben wir eine Daguerreotypie gemacht?“, fragte Lady Beatrice beeindruckt, denn sie hatte erst kurz zuvor in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, die Miss Rendlesham abonniert hatte, einen Artikel über dieses Verfahren gelesen.
    „Aber nein, meine Liebe; dieses Verfahren hier ist fortschrittlicher. Die Spekulative Gesellschaft stellt es uns zur Verfügung.“ Mrs. Corvey liess die Platte herausgleiten und legte eine neue ein. „Dabei entsteht ein Bild, das sich auf Papier drucken lässt. Dies hier ist lediglich für unsere Akten. Wir müssen warten, bis er etwas ruhiger wird, um ein Bild zu machen, das wir einsetzen können. Herbertina wird Ihnen das Signal geben.“
    Lady Beatrice beobachtete, wie der Major zu seinem Höhepunkt ritt und schliesslich über Herbertina zusammenbrach. Sie endeten spärlich bekeidet an die Sitzbank gelehnt.
    „Nun“, sagte der Major etwas ausser Atem, „sagen Sie mir, wie gross ich war und wie machtlos Sie sich gefühlt haben.“
    „Oh, Herr Major, wie können Sie einem jungen Mann so etwas antun? Ich habe mich noch nie so hilflos gefühlt“, sagte Herbertina mit tränenerstickter Stimme, während sie hinter ihrem Rücken ein Handzeichen gab. Lady Beatrice sah es und drückte erneut auf den Auslöser. Abermals flackerten die Lampen auf. Der Major kniff irritiert die Augen zusammen, dachte aber nicht weiter darüber nach, da Herbertina seine Aufmerksamkeit über die nächsten fünf Minuten dadurch fesselte, dass sie ihm detailliert vorlog, wieviel Angst sie gehabt hätte, wie unterworfen der junge Soldat sich fühlte und wie gigantisch das Gemächt das Majors gewesen war.
    Leider hörten weder Mrs. Corvey noch Lady Beatrice ihre inspirierten Improvisationen, denn beide hatten sich in einen kleinen, von roten De-la-Rue-Glühlampen erhellten Raum zurückgezogen, der einem chemischen Labor glich. Sie banden sich Stoffmasken vor Mund und Nase und entwickelten die Platten.
    „Die sind sehr gut“, lobte Mrs. Corvey. „Bei meiner Seele, meine Liebe – Sie haben ein Talent für die Photographie.“
    „Sollen sie für Erpressungen verwendet werden?“
    „Bitte? Aber nein; das heisst, nur, wenn es nötig werden sollte. Falls es dazu kommt, kann man dieses hier“ – sie hielt das zweite Bild hoch, auf dem der Major über der Sitzbank lag – „auf eine Daguerreotypie kopieren und mit einer Bitte um Kooperation überbringen. Jetzt wandern die Bilder erst mal in seine Akte. Jeder unserer Kunden hat eine Akte, müssen Sie wissen. Wenn das Geschäft brummt, sind Aufzeichnungen über die
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