Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von Bramble House

Die Frauen von Bramble House

Titel: Die Frauen von Bramble House
Autoren: Catherine Cookson
Vom Netzwerk:
es über sich, gegen ihn aufzutreten. Sie hatte diesen Schutzmechanismus lernen müssen, denn sonst hätte er sie bei jedem Anlaß in Grund und Boden geschrien. Dies war eines seiner Charakteristika, die zu unterdrücken ihre Großmutter sich vergeblich bemüht hatte. Und einen Augenblick lang überkam sie jetzt ein beinahe koboldhaftes Gefühl von boshafter Freude, als sie die Worte überlegte, die sie ihm entgegenschleudern würde.
    »An deiner Stelle würde ich mich jetzt irgendwo gut festhalten.«
    Er lehnte sich zurück. »Was ist denn mit dir los?«
    »Mit mir ist gar nichts los. Aber mit unsrer Tochter.«
    Er stand langsam auf, stieß den Sessel mit einem Fußtritt zurück und starrte sie eine Weile an. »Es macht dir Spaß, ja? Was immer du mir sagen willst, ja?«
    »O ja!« Sie nickte heftig. »Einen Riesenspaß, einen Heidenspaß. Ich will schon lange Großmutter werden … es gibt nicht genug davon in diesem Haus!«
    Er schob die Unterlippe vor, und seine Augen wurden schmal. Er drehte den Körper halb von ihr weg, sah sie aber weiter an. »Was soll das bedeuten?«
    »Aber du bist doch sonst nicht so begriffsstutzig. Mir hast du doch andauernd vorgehalten, was für ein Schnelldenker du bist. Daß du immer schon weißt, was die Leute denken, bevor die nur den Mund aufmachen. Es wurmt dich doch die ganze Zeit fürchterlich, daß die Welt nicht merkt, wie gescheit du bist.«
    Und jetzt wandte sie sich halb von ihm ab, und ihr Gewissen meldete sich zu seinen Gunsten. Warum mußte sie ihm derart zusetzen? Sie wußte schließlich, wie ihn die Nachricht treffen würde, und eigentlich war es ja in diesem Haus für ihn wirklich kein Paradies.
    Wie mit einer einzigen Bewegung schoß er jetzt um den Schreibtisch herum und auf sie zu, bis sein Gesicht nur mehr eine Handbreit von ihrem entfernt war. Auf den Lippen hatte er Speichel, seine Nasenflügel vibrierten, und er spuckte ihr entgegen: »Sie … sie ist doch nicht? Sie kann doch gar nicht … Nicht sie! «
    Und nun brach das Gefühl, ihn verteidigen zu müssen, restlos zusammen. Und ihre Stimme klang sogar ganz gelassen, als sie sagte: »Wieso nicht? Sie ist schließlich eine Frau.«
    Sie sah, wie seine Augen groß wurden, wie die Brauen sich in die Stirn schoben; sie sah, wie seine Hand langsam über sein Gesicht fuhr und die Finger das Haar an der Vorderseite hochstriegelten, bis es ebenso zu Berge stand wie am Hinterkopf. Er sieht aus wie ein angegriffenes Stachelschwein, dachte sie. Aber das Gebrüll, das er dann ausstieß, deutete weniger auf Verteidigung denn auf Angriff hin.
    »Hol sie! Hol sie sofort hierher! Mein Gott! Ich … ich …«
    »Ja? Was wirst du machen? Sie umbringen?«
    »Bring sie her! Und mach dein verdammtes höhnisches Maul zu!«
    Sie hätte am liebsten gesagt: »Warum kommst du nicht raus ins Foyer oder gleich in die Küche … da kannst du sie dann gleich so richtig herumprügeln …« Aber sie verkniff es sich und stolzierte betont langsam hinaus.
    Als sie auf die Treppe zuging, kamen ihr im Foyer ihre Mutter und Großmutter aus dem Speisezimmer entgegen, und ihre Mutter rief ihr zu: »Hast du meine Verdauungstabletten weggenommen, Lizzie?« Doch ehe sie antworten konnte, sagte ihre Großmutter mit einem Lachen: »Ich habe gesehen, wie die Katze was davongeschleppt hat. Du mit deinen Abführpillen! Wenn du dich etwas häufiger bücken würdest, hättest du keine Verdauungsbeschwerden. Im Eßzimmer ist seit Wochen nicht mehr richtig saubergemacht worden. Also mach dich morgen mal dran, und dann wirst du merken, daß du dein Abendessen durchaus verträgst – ohne Tabletten!« Mrs. Funnell hatte ihre Tochter stehengelassen und hielt nun Lizzie auf der dritten Treppenstufe an. »Stimmt etwas nicht? Du bist ja weiß wie ein Laken. Fühlst du dich nicht gut?«
    »Nein. Bei mir ist alles in Ordnung.«
    »Also, was ist dann los? Was war da drüben bei May?«
    »Das wirst du noch früh genug erfahren. Bestimmt. Früh genug.«
    »Das genügt mir nicht als Antwort! Sag es mir sofort!«
    »Ich werde es dir nicht jetzt und nicht sofort sagen, Oma. Du wirst schon warten müssen. Und du wirst nicht lange warten müssen, wenn du dich nicht vom Fleck rührst.« Mit diesen Worten lief Lizzie die restlichen Stufen hinauf.
    Als sie die Tür aufstieß, sah sie ihre Tochter am Fußende des Bettes hocken, und einen Augenblick überkam sie das Gefühl, sie heftig in die Arme zu nehmen, denn sie sah nicht aus wie eine junge Frau von sechzehn Jahren, sondern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher