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Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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der Bilder allein zu sehen. Achtern auf einem Segelboot. Mit Sonnenbrille, braun gebrannt, konzentriert. Auf den anderen sechs Bildern waren die beiden zusammen. Immer eng nebeneinander, sich umarmend, lächelnd. Sie schienen viel zu reisen. Eine der Aufnahmen war an einem kreideweißen Strand mit Palmen im Hintergrund aufgenommen worden, und auf zwei anderen Bildern konnte Billy New York und Kuala Lumpur erkennen. Kinder hatten sie anscheinend keine.
    Also hatte diesmal wenigstens niemand seine Mutter verloren.
    Billy blieb vor den Fotos stehen und betrachtete das liebevolle Lachen des Paares. Auf allen Bildern umarmten sie einander. Vielleicht posierten sie vor der Kamera immer so. Vielleicht war es nur gespielt, um der Umgebung zu zeigen, wie prächtig es ihnen zusammen ging. In diesem Fall sah man ihnen das aber nicht an, sie schienen beide aufrichtig verliebt, wie sie da so ineinander verschlungen standen. Billy konnte sich nicht so recht von den Bildern losreißen. Es hatte etwas mit dem darauf eingefangenen Glück zu tun, das ihn mit voller Wucht traf. Sie sahen so glücklich aus. So verliebt. So lebendig. Normalerweise war Billy nie derart berührt und konnte ohne Schwierigkeiten einen professionellen Abstand zwischen den Opfern und sich selbst wahren. Natürlich war er jedes Mal bewegt und litt mit den Angehörigen, aber die Spitze der Trauer drang nie ganz so tief in ihn ein. Er wusste genau, was diesmal anders war. Er hatte gerade eine Frau kennengelernt, deren Blick und deren offenes Lachen ihn an die Frau auf den Fotos erinnerte. Das machte die Tragödie dreidimensional und wirklich. Er dachte an My. Heute Morgen hatte sie sich die Decke über die Ohren gezogen und ihn schlaftrunken umarmt. Sie hatte versucht, ihn zum Bleiben zu bewegen, noch ein bisschen und noch ein bisschen und noch ein bisschen länger, bis irgendwann der ganze Vormittag verflogen war. Das Bild von der lächelnden My passte mit den Bildern dort an der Wand zusammen, aber auf keinen Fall mit der grotesk verrenkten, gefesselten und vergewaltigten Frau im Zimmer nebenan. Und dennoch war es dieselbe Frau. Für eine Sekunde sah er My vor sich, wie sie dort in der großen Blutlache lag. Er wandte den Kopf ab und schloss die Augen. Eine solche Furcht hatte ihn noch nie zuvor heimgesucht. Nie.
    Und er durfte sie nicht wieder nahekommen lassen. Das wusste er. Er durfte die Gewalt und den Schrecken nie an sich heranlassen, sich nie davon vergiften lassen. Das würde die Liebe zerstören, sie angstvoll und unsicher machen. Das Bedürfnis, Privatleben und Arbeit voneinander zu trennen, wurde ihm mit einem Mal glasklar bewusst, denn ohne diese Distanz konnte er alles verlieren. Er konnte My umarmen, sie an sich drücken, aber dieses Gefühl würde er nicht mit ihr teilen können. Es war zu dunkel und abgründig, um es in ihre Beziehung zu lassen. Er würde My lange umarmen, wenn er nach Hause kam. Sehr lange. Sie würde fragen, warum. Und er würde lügen müssen. Leider. Aber die Wahrheit wollte er ihr nicht zumuten. Billy wandte sich um, nahm den Laptop vom Schreibtisch und ging nach unten, um Vanja abzuholen.

D er große Mann erteilte seinem Computer den Befehl, alle Bilder auszudrucken, und der Drucker reagierte sofort mit einem effektiven Surren. Während das Gerät die Bilder im Format 10 × 15 cm auf Hochglanzfotopapier auswarf, legte der Mann auf dem Desktop einen neuen Ordner für die Fotos an, kopierte ihn, loggte sich auf einer geschützten Website ein, meldete sich als Administrator an und speicherte den Ordner dort ab. Die Seite hatte die nichtssagende Adresse «fygorh.se». Eigentlich war dieser Name nur eine willkürliche Buchstabenkombination, deren einziger Sinn darin bestand, von keiner Suchmaschine auf den ersten Plätzen gelistet zu werden. Sollte irgendjemand, der nichts auf der Seite zu suchen hatte, trotzdem darauf stoßen, würde er lediglich Textblöcke in miserablem Layout vorfinden, die vor dem grellbunten und flimmernden Hintergrund kaum lesbar waren. Die Texte, die sowohl ihre Schriftart als auch die Farbe sporadisch wechselten, waren Auszüge aus Büchern, staatlichen Untersuchungen, Abhandlungen, anderen Internetseiten oder auch reiner Nonsens, ohne Absätze und teils sogar ohne Leerzeichen, lediglich hin und wieder von merkwürdigen Bildern oder Zeichnungen ohne erkennbare Logik unterbrochen. Die Seite sah aus, als hätte sich jemand nicht zwischen den vielen graphischen Möglichkeiten, die ein Computer bot,
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