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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Autoren: Diane Ducret
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Vita“
    Unglück über den Mann, der für eine einzige Idee lebt, vor allem, wenn diese Idee eine Frau ist.
    Margherita Sarfatti
    Ein Revolutionär von unwiderstehlicher Ausstrahlung
    Aufregung in Riccione
    Riccione ist die Perle der Adria. Das Städtchen verfällt jeden Sommer in hektische Betriebsamkeit, deren Höhepunkt ein merkwürdiges Ritual am Strand ist: Eine Woge von Bewunderinnen flutet über den Sand, um einen Mann zu verfolgen, den sie endlich einmal ohne Uniform sehen wollen. Benito Mussolini trifft Vorbereitungen für sein Bad im Meer. Der Schwarm von Frauen jeden Alters verfolgt ihn bis ins Wasser, nicht eingedenk ihrer Kleider, die sie so schnell nicht hatten ablegen können. Es sind keineswegs nur Italienerinnen, die den „Duce“ in seinem so gut sitzenden Badekostüm bewundern wollen. Quinto Navarra [1] , einer seiner Diener, schreibt, dass vor allem die Deutschen, Ungarinnen und Jugoslawinnen sich kaum zu zügeln wussten und mit lauter Stimme die „athletischen Formen des Duce“ würdigten. In jenem Jahr gingen Gerüchte um, der „Duce“ sei krank gewesen. Mussolini beschließt, sich der Menge als vor Gesundheit strotzender Kerl zu präsentieren. Noch nass steigt er aufs Pferd und vollführt vor den weit aufgerissenen Augen seiner Bewunderinnen eine Reihe von Paraden. Dann erhebt er sich in den Steigbügeln und ruft: „Sieht so ein Kranker aus?“ Das Volk hat keinen Zweifel mehr an der Vitalität seines Führers, den Frauen hat er einmal mehr seine Männlichkeit vor Augen geführt.
    Riccione liegt in der Emilia Romagna, wo der „Duce“ geboren ist. Dort fährt er jedes Jahr zum Baden hin. Von dort aus strickt er an seiner Badepropaganda. Mussolini hat eine neue Form der Politik eingeführt, die auf Kraft und Stärke einer „neuen Elite“ setzt, die das Land wieder aufrichten soll. Geschickt nutzt Mussolini dabei sein Erscheinungsbild, seine Muskulatur, seine prägnante Silhouette, die – wie er nur allzu gut weiß – dem Volk das Gefühl gibt, von einem Helden, einem Übermenschen regiert zu werden. Er weiß, dass sein bestes politisches Argument immer noch sein Körper ist.
    1933 sucht der österreichische Kanzler Engelbert Dollfuß Schutz vor der Bedrohung durch die Nazis. Er begibt sich zu Mussolini nach Riccione. Die beiden Männer treffen sich in Anwesenheit der Presse am Strand: Dollfuß ist klein, trägt Hemd und Krawatte. Mussolini hingegen zeigt wie immer seinen nackten Oberkörper. Österreich läuft Gefahr, von den Deutschen annektiert zu werden. Doch in diesem nonchalanten Ambiente kommen die Besprechungen gut voran. Das Manöver ist geschickt, der Effekt augenfällig. Dollfuß lässt sich vom Corpus Mussolini blenden. „Um ein Mussolini zu sein, ein Kämpfer, dessen Herrschaft bleiben wird, muss man wie der Duce gebaut sein […] Man betrachte nur seinen Hals und seine Brust. Sehen Sie nur, wie er das Haupt dem Mann zuwendet, der links von ihm steht. Sieht er nicht aus wie ein alter Römer, genauso, wie wir ihn von den marmornen Standbildern kennen.“ [2]
    Fehler bei Mussolini zu suchen wäre so, als würde man Michelangelos Moses kritisieren wollen. Ob in Diplomatie oder Politik, das Rezept des „Duce“ bleibt immer dasselbe: beeindrucken und verführen.
    Seine Anhänger lassen sich von seiner „bewundernswert napoleonischen“ Kinnpartie beeindrucken: Für solch einen Mann gibt es nur eines – Sieg oder Tod [3] . Unter den Faschisten spricht man immer wieder über die männlichen Züge des italienischen Führers.
    Nach seiner Kinnpartie sind es seine Lippen, welche die Aufmerksamkeit seiner Parteigänger erregen. „Prononcierte, verächtliche Lippen, die sich zur arroganten, aggressiven Grimasse angesichts all dessen verziehen, das langsam, pedantisch, kleinkrämerisch oder weinerlich ist“, schreibt Filippo Marinetti, Futurist und Gründungsmitglied der faschistischen Partei Italiens.
    Und was wird nicht alles über seinen Blick geschrieben! Seine Augen, die den Gesprächspartner durchbohren, seinen lebhaften, scharfen Blick, der aus „klaren, wolfsschnellen Augen“ kommt. Alle sind einer Meinung: Man erliegt dem Zauber dieser Augen, auch wenn man ihm eigentlich widerstehen will.
    Jede Einzelheit seines Gesichts wird bis ins Kleinste interpretiert und analysiert: Mussolini marschiere „zum Gipfel mit dem ganzen Stolz seiner Persönlichkeit, der sich im Schwung seiner Brauen zeigt“ [4] .
    Die ersten Opfer seines unwiderstehlichen Äußeren sind die Frauen.
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