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Die Frau in Schwarz

Die Frau in Schwarz

Titel: Die Frau in Schwarz
Autoren: Susan Hill
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sagte er ruhig.
    »Nein, nein.« Ich setzte mich wieder auf, doch diesmal vorsichtiger, und die Wände blieben an ihrem Platz.
    »Passen Sie lieber auf!«
    »Ich fühle mich schon besser … wieder in Ordnung. Es war …« Ich wischte mir über die Stirn. »Ich hätte gern etwas zu trinken.«
    »Steht neben Ihnen.«
    Ich drehte mich um und sah einen Krug Wasser und ein Glas. Ich trank und fühlte mich allmählich wieder frischer, und gleichzeitig beruhigten sich auch meine Nerven.
    Als Mr. Daily das bemerkte, setzte er sich in einen Sessel mir gegenüber. »Ich musste ständig an Sie denken und wurde immer unruhiger«, gestand er.
    »Ist es nicht noch sehr früh am Morgen … ich fürchte, ich bin mit der Zeit ein wenig durcheinander.«
    »Früh genug. Ich bin immer wieder aufgewacht. Wie ich schon sagte, ich musste ständig an Sie denken.«
    »Eigenartig.«
    »Wirklich? Finde ich nicht. Durchaus nicht eigenartig.«
    »Nein.«
    »Gut, dass ich im rechten Augenblick gekommen bin.«
    »Ja, in der Tat. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Haben Sie mich hereingetragen? Ich habe nichts davon mitbekommen.«
    »Ich habe Schwerere als Sie geschleppt – Sie haben nicht viel Fleisch auf den Knochen.«
    »Ich bin unendlich froh, Sie zu sehen, Mr. Daily.«
    »Da können Sie auch allen Grund zu haben.«
    »Allerdings.«
    »Es sind schon andere in dieser Marsch ertrunken.«
    »Ja. Ja, das weiß ich jetzt. Ich konnte spüren, wie der Sand nach mir griff, und nach der Hündin.« Ich fuhr auf. »Spider …«
    »Sie ist hier. Sie kommt schon wieder in Ordnung.«
    Mein Blick folgte seinem zu der Hündin, die auf dem Läufer zwischen uns lag. Als sie ihren Namen hörte, wedelte sie, blieb jedoch liegen. Der Schlamm trocknete in Klumpen und Flecken auf ihrem Fell, und ihre Beine waren völlig verkrustet. Sie sah so matt und erschöpft aus, wie auch ich mich fühlte.
    »Sobald Sie glauben, dass Sie kräftig genug sind, packen Sie am besten zusammen, was Sie brauchen, und ab die Post.«
    »Ab die Post?«
    »Ja. Ich bin hergekommen, um nachzusehen, wie es Ihnen an diesem gottverlassenen Ort geht. Jetzt weiß ich es. Sie kommen mit mir und erholen sich.«
    Ich antwortete nicht gleich, sondern lehnte mich zurück und ließ mir die Ereignisse der vergangenen Nacht und dieses Morgens durch den Kopf gehen – und auch die weiter zurückliegenden bei meinem ersten Besuch. Ich wusste, dass die Frau in Schwarz hier umherging. Vielleicht auch noch andere frühere Bewohner dieses Hauses. Ich wusste, dass die Geräusche, die ich draußen auf der Marsch gehört hatte, Spuk waren. Doch obwohl sie schreckenerregend und unerklärlich gewesen waren, glaubte ich, dass ich sie noch einmal ertragen könnte, wenn es sein müsste, und ich war mehr denn je entschlossen herauszufinden, welche arme, ruhelose Seele hier ihr Unwesen trieb und warum. Wenn ich die Wahrheit ans Licht bringen könnte, bedeutete das vielleicht auch das Ende des Spuks.
    Aber was ich nicht mehr ertragen könnte, war die Atmosphäre des Bösen, die von ihr ausging – dieser unendliche Hass und die Feindseligkeit, aber auch diese schreckliche Trauer und Seelenqual –, denn sie schien in meine eigene Seele einzudringen und Besitz von mir zu ergreifen. Ich versicherte Mr. Daily, dass ich ihm dankbar sei und gern mit ihm zurückkommen würde, um mich in seinem Haus zu erholen, wenngleich nur für kurze Zeit. Denn ich war auch besorgt und wollte das Rätsel nicht ungelöst lassen. Ich wusste, dass irgendwann jemand die Arbeit zu Ende bringen und Mrs. Drablows Papiere sortieren und zusammenpacken müsste.
    Darauf kam ich nun zu sprechen.
    »Und was haben Sie hier gefunden, Mr. Kipps? Eine Karte zu einem vergrabenen Schatz?«
    »Nein. Eine ganze Menge alten Papierkram, aber kaum etwas Aufschlussreiches, geschweige denn etwas von Wert. Um ehrlich zu sein, ich bezweifle, dass unter dem Übrigen noch etwas zu finden sein wird. Trotzdem muss alles früher oder später geprüft werden. Dazu sind wir verpflichtet.« Ich stand auf und ging im Zimmer auf und ab, um die Kraft meiner Beine zu erproben, die größtenteils wieder zurückgekehrt war. »Ich muss gestehen, dass ich nichts lieber täte, als alles stehen und liegen zu lassen. Es gibt nur ein paar Sachen, die ich gern noch einmal durchgehen möchte, hauptsächlich, um meine Neugier zu befriedigen. Es handelt sich um ein Bündel Briefe und einige dazugehörige Dokumente, die ich gestern Nacht überflogen habe.«
    Während Mr. Daily im
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