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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Autoren: Sue Townsend
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den anderen.
    Poppy lief vor ihm auf und ab, wirbelte herum und legte eine Hand auf den mageren Hüftknochen. Dann sah sie ihn erwartungsvoll an, doch er sagte nichts. Stattdessen schloss er die Tür zu seinem Zimmer wieder auf und ging hinein.
    Poppy sagte: »Was für ein Baby. Ein ungezogenes, wahnsinnig hübsches Baby.«
    Brianne sagte: »Wir sind beide siebzehn. Wir haben früh Abi gemacht.«
    »Ich hätte meins auch früher gemacht, wenn nicht etwas Tragisches passiert wäre …« Poppy wartete, dass Brianne sich nach der Art der Tragödie erkundigte. Als Brianne schwieg, sagte sie: »Ich kann nicht drüber reden. Ich hab trotzdem mit Eins bestanden. Oxbridge wollte mich. Ich war beim Vorstellungsgespräch, aber ehrlich gesagt, war es mir da zu altmodisch.«
    Brianne fragte: »Wo warst du? In Oxford oder in Cambridge?«
    Poppy sagte: »Bist du schwerhörig? Ich hab gesagt, ich war zum Vorstellungsgespräch in Oxbridge.«
    »Und man hat dir einen Studienplatz an der Universität Oxbridge angeboten?« Brianne setzte nach: »Wo ist Oxbridge doch gleich?«
    Poppy murmelte: »Irgendwo in der Mitte«, und ging.
    Brianne und Brian junior hatten sich in Cambridge vorgestellt, und man hatte beiden einen Platz angeboten. Ihr bescheidener Ruhm war den Biber-Zwillingen vorausgeeilt. Am Trinity College hatte man ihnen eine unglaublich schwere Matheaufgabe gestellt. Brian junior ging mit einer Aufsicht in ein separates Zimmer. Als beide nach fünfundfünfzigminütigem eifrigen Kritzeln auf den bereitgestellten DIN-A4-Blättern ihre Stifte niederlegten, las das Gremium ihre Notizen, als handle es sich um ein Kapitel eines schlüpfrigen Romans. Brianne hatte sich minutiös, wenn auch ohne große Fantasie, zur Lösung vorgearbeitet. Brian junior war auf mysteriöseren Pfaden ans Ziel gelangt. Das Gremium verzichtete darauf, die Zwillinge nach Hobbys und Freizeitbeschäftigungen zu fragen. Es war offensichtlich, dass sie sich ganz auf ihr Studiengebiet konzentrierten.
    Nachdem die Zwillinge das Angebot abgelehnt hatten, erklärte Brianne, sie und ihr Bruder würden der berühmten Mathematikprofessorin Lenya Nikitanova nach Leeds folgen.
    »Ah, Leeds«, sagte der Vorsitzende. »Die mathematische Fakultät ist bemerkenswert, Weltklasse. Wir haben versucht, die bezaubernde Nikitanova mit unanständig extravaganten Anreizen zu locken, aber sie hat uns gemailt, dass sie es vorzieht, Arbeiterkinder zu unterrichten – ein Ausdruck, den ich nicht mehr gehört habe, seit Breschnew im Amt war –, und die Dozentenstelle an der Universität Leeds annimmt! Sehr bezeichnend!«
    Im Sentinel-Towers-Wohnheim sagte Brianne jetzt: »Ich ziehe mich lieber allein um. Ich geniere mich.«
    Poppy sagte: »Nein, ich komme mit rein. Ich kann dir helfen.«
    Brianne fühlte sich von Poppy bedrängt. Sie wollte sie nicht in ihr Zimmer lassen. Sie wollte sie nicht als Freundin, trotzdem schloss sie die Tür auf und ließ Poppy rein.
    Briannes offener Koffer stand auf dem schmalen Bett. Sofort begann Poppy ihn auszupacken und Briannes Kleider und Schuhe im Schrank zu verstauen. Brianne saß hilflos am Fußende des Bettes und sagte: »Nein, Poppy, das mach ich schon.« Sie dachte, wenn Poppy weg war, würde sie alles nach ihren eigenen Vorstellungen neu ordnen.
    Poppy öffnete ein Schmuckkästchen, das mit winzigen perlmuttschimmernden Muscheln besetzt war, und begann, verschiedene Schmuckstücke anzuprobieren. Sie nahm das Silberarmband mit den drei Anhängern: ein Mond, eine Sonne und ein Stern.
    Das Armband hatte Eva Ende August zur Belohnung für Briannes Einser-Abitur gekauft. Brian junior hatte die Manschettenknöpfe, die seine Mutter ihm geschenkt hatte, schon verloren.
    »Das leihe ich mir«, sagte Poppy.
    »Nein!«, rief Brianne. »Nicht das! Daran hänge ich.« Sie nahm es Poppy ab und legte es um ihr eigenes Handgelenk.
    Poppy sagte: »Omeingott, du bist so ein Materialist. Krieg dich wieder ein.«
    Inzwischen lief Brian junior in seinem schockierend winzigen Zimmer auf und ab. Von der Tür zum Fenster waren es nur drei Schritte. Er fragte sich, warum seine Mutter nicht wie versprochen angerufen hatte.
    Alles war ausgepackt und ordentlich verstaut. Seine Stifte nach Farben sortiert, von gelb bis schwarz. Es war Brian junior wichtig, dass sich genau in der Mitte ein roter Stift befand.
    Ein paar Stunden zuvor, nachdem die Habseligkeiten der Zwillinge vom Auto nach oben getragen, die Laptops aufgeladen, die neuen Wasserkocher, Toaster und Lampen von
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