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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Autoren: Sue Townsend
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dem stand: »Danke für Ihr Interesse«, unterschrieben mit »Ihre Kirstie«. Dem Schreiben lag ein Foto von Kirstie bei. Sie trug ein rotes Kleid mit alarmierend tiefem Ausschnitt. Brian bewahrte das Foto in einer alten Bibel auf. Er wusste, dort war es sicher. Niemand schlug sie je auf.
    Später am Abend zwang eine volle Blase Eva aus dem Bett. Sie zog einen Schlafanzug an, den sie für unvorhergesehene Krankenhausaufenthalte aufgehoben hatte. Den Rat hatte sie von ihrer Mutter. Ihre Mutter war der Überzeugung, mit qualitativ hochwertigem Bademantel, Schlafanzug und Kulturbeutel wurde man von Krankenschwestern und Ärzten besser behandelt als die Ferkel, die mit schäbigen Sachen in einer Plastiktüte eingeliefert wurden.
    Eva legte sich wieder ins Bett und fragte sich, was ihre Kinder an ihrem ersten Abend an der Uni wohl so trieben. Sie stellte sich vor, dass sie weinend und krank vor Heimweh beisammen saßen, so wie an ihrem ersten Tag im Kindergarten.

2
    Brianne befand sich in der Gemeinschaftsküche des Wohnheims, die gleichzeitig Aufenthaltsraum war. Bisher hatte sie einen Jungen kennengelernt, der wie ein Mädchen angezogen war, und eine Frau, die wie ein Mann angezogen war. Die beiden unterhielten sich über Clubs und Musiker, von denen sie noch nie gehört hatte.
    Brianne besaß eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und hörte schon bald nicht mehr zu, nickte aber und sagte »cool«, wenn es angebracht schien. Sie war ein großes Mädchen mit breiten Schultern, langen Beinen und großen Füßen. Ihr Gesicht war größtenteils hinter einem langen strähnigen Pony versteckt, den sie sich nur aus den Augen strich, wenn sie tatsächlich etwas sehen wollte.
    Ein verwahrlostes Mädchen in einem Maxikleid mit Leopardenmuster und braunen Ugg-Boots kam herein und stopfte eine prall gefüllte Tüte von Holland & Barrett in den Kühlschrank. Ihr Kopf war zur Hälfte rasiert, und auf den Schädel war ein gebrochenes Herz tätowiert. Die andere Hälfte war ein schlecht gefärbter, einseitiger, grüner Vorhang.
    Brianne sagte: »Tolles Haar. Hast du das selbst gemacht?«
    »Mein Bruder hat mir dabei geholfen«, sagte das Mädchen. »Er ist schwul.«
    Am Ende jedes Satzes hob das Mädchen die Stimme, als würde sie die Richtigkeit ihrer eigenen Aussagen ständig in Zweifel ziehen.
    Brianne fragte: »Kommst du aus Australien?«
    Das Mädchen rief: »Gott! Nein!«
    Brianne sagte: »Ich bin Brianne.«
    Das Mädchen sagte: »Ich bin Poppy. Brianne? Den Namen hab ich noch nie gehört.«
    »Mein Vater heißt Brian«, sagte Brianne ausdruckslos. »Ist es schwer, in so einem Maxikleid zu laufen?«
    »Nein«, sagte Poppy. »Wenn du willst, kannst du es anprobieren. Vielleicht passt es dir, es dehnt sich.«
    Sie zog sich das Maxikleid über den Kopf und stand in BH und Unterhose da. Beides sah aus wie aus scharlachrotem Spinnennetz. Sie schien keinerlei Hemmungen zu haben. Brianne hatte reichlich Hemmungen. Sie hasste alles an sich: Gesicht, Hals, Haare, Schultern, Arme, Hände, Fingernägel, Bauch, Brüste, Brustwarzen, Taille, Hüfte, Oberschenkel, Knie, Waden, Fesseln, Füße, Zehennägel und ihre Stimme.
    Sie sagte: »Ich probier’s in meinem Zimmer an.«
    »Du hast tolle Augen«, sagte Poppy.
    »Findest du?«
    »Trägst du grüne Kontaktlinsen?«, fragte Poppy. Sie starrte Brianne ins Gesicht und schob den Pony zur Seite.
    »Nein.«
    »Tolles Grün.«
    »Findest du?«
    »Hammer.«
    »Ich muss abnehmen.«
    »Stimmt. Mit Abnehmen kenn ich mich aus. Ich bring dir bei, wie man sich nach jeder Mahlzeit übergibt.«
    »Ich will keine Bulimikerin sein.«
    »Für Lily Allen war es gut genug.«
    »Ich hasse es, mich zu übergeben.«
    »Aber wenn man dafür dünn ist? Du kennst doch den Spruch: ›Man kann nie zu reich oder zu dünn sein.‹«
    »Wer sagt das?«
    »Ich glaube, es war Winnie Mandela.«
    Poppy folgte Brianne in ihr Zimmer, noch immer in Unterwäsche. Auf dem Flur trafen sie Brian junior, der gerade die Tür zu seinem Zimmer abschloss. Er starrte Poppy an und sie starrte zurück. Er war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Sie warf die Arme über den Kopf und nahm eine Glamourgirl-Pose ein, in der Hoffnung, dass Brian ihre Körbchengröße-C-Brüste bewunderte.
    Er murmelte vor sich hin, aber laut genug, dass man es hörte: »Eklig.«
    Poppy sagte: »Eklig? Es wäre echt hilfreich, wenn du das näher erläutern könntest. Ich muss wissen, was genau an mir abstoßend ist.«
    Brian trat unbehaglich von einem Fuß auf
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