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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden
Autoren: Audrey Niffenegger
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    Das Bett quietscht, und ich zucke zusammen. Henry setzt sich auf, sieht mich blinzelnd im Morgenlicht an. Er wirkt so jung, so bevor... Aber er kennt mich noch nicht. Mit einem Mal befurchte ich, er könnte vergessen haben, wer ich bin.
    »Du siehst verfroren aus«, sagt er. »Komm wieder ins Bett, Clare.«
    »Ich hab Kaffee aufgesetzt«, entgegne ich.
    »Ich rieche es. Aber jetzt komm erst mal und sag guten Morgen.«
    Im Bademantel steige ich ins Bett. Seine Hand gleitet unter den Stoff, hält nur ganz kurz inne, aber ich merke, er hat die Verbindung hergestellt und geht im Geiste die Sachen durch, die ich in seinem Badezimmer gesehen haben könnte.
    »Stört es dich?«, fragt er.
    Ich zögere.
    »Ja, klar. Was für eine Frage. Natürlich stört es dich.« Henry setzt sich wieder auf, und ich tue es ihm nach. Er dreht den Kopf zu mir, sieht mich an. »Es war sowieso fast vorbei.«
    »Fast?«
    »Ich wollte mit ihr Schluss machen. Es war nur schlecht abgepasst. Oder gut abgepasst, ich weiß es nicht.« Er versucht, meine Miene zu deuten, aber wozu? Will er, dass ich ihm vergebe? Er hat ja keine Schuld. Woher hätte er das alles wissen sollen? »Wir haben uns seit langem nur noch gequält...« Er redet immer schneller, dann verstummt er. »Willst du es wissen?«
    »Nein.«
    »Danke.« Henry fährt sich mit den Händen übers Gesicht. »Tut mit Leid. Ich wusste ja nicht, dass du kommst, sonst hätte ich ein bisschen besser aufgeräumt. In meinem Leben, nicht nur die Wohnung.« Unter Henrys Ohr ist verschmierter Lippenstift, den ich wegwische. Er nimmt meine Hand. »Bin ich sehr anders, als du erwartet hast?«, fragt er ängstlich.
    »Ja, du bist viel ...«, egoistischer, denke ich, sage aber,»...jünger.«
    Er überlegt. »Ist das gut oder schlecht?«
    »Je nachdem.« Mit beiden Händen fahre ich über Henrys Schultern und Rücken, massiere Muskeln, erforsche Vertiefungen. »Hast du dich schon älter gesehen, in den Vierzigern?«
    »Ja. Da sehe ich aus, als hätte man mich geknickt und verstümmelt.«
    »Stimmt. Aber du bist nicht so - ich meine, irgendwie hast du mehr... Na ja, du kennst mich eben und bist deswegen...«
    »Du willst mir also zu verstehen geben, dass ich etwas unbeholfen bin.«
    Ich schüttle den Kopf, obwohl ich genau das meine. »Ich hatte die vielen Erlebnisse mit dir, als du... Ich bin es nicht gewöhnt, mit dir zusammen zu sein, wenn du dich an nichts erinnern kannst.«
    Henry macht ein düsteres Gesicht. »Tut mir Leid. Aber den Mann, den du kennst, gibt es noch nicht. Bleib bei mir, denn früher oder später wird er erscheinen. Mehr kann ich dir nicht anbieten.«
    »In Ordnung«, erwidere ich. »Aber in der Zwischenzeit...«
    Er dreht sich um und sieht mich an. »In der Zwischenzeit?«
    »Will ich...«
    »Willst du?«
    Ich werde rot. Henry lacht und schiebt mich sanft nach hinten aufs Kissen. »Du weißt schon.«
    »Ich weiß nicht viel, aber das eine oder andere kann ich mir denken.«
    Später, wir dösen wohlig Haut an Haut im Licht der fahlen vormittäglichen Oktobersonne, flüstert Henry mir etwas in den Nacken, das ich nicht verstehe.
    »Was?«
    »Ich dachte eben, wie friedlich es hier ist, zusammen mit dir. Es ist schön, einfach dazuliegen und zu wissen, die Zukunft ist irgendwie geregelt.«
    »Henry?«
    »Hmm?«
    »Wieso hast du dir nie was von mir erzählt?«
    »Oh, das mach ich grundsätzlich nicht.«
    »Was machst du nicht?«
    »Mir Sachen erzählen, die in der Zukunft liegen, außer es handelt sich um wichtige, lebensentscheidende Dinge, verstehst du? Ich möchte wie ein normaler Mensch leben. Ich bin auch nicht gern mit anderen Ichs zusammen, deshalb statte ich mir selbst nur Besuche ab, wenn mir nichts anderes übrig bleibt.«
    Ich denke eine Weile über seine Antwort nach. »Ich würde mir alles sagen.«
    »Nein, bestimmt nicht. Das bringt viel Ärger.«
    »Ich wollte dich immer dazu bewegen, mir Sachen zu erzählen.« Ich wälze mich auf den Rücken, und Henry stützt den Kopf auf seine Hand und blickt zu mir herab. Unsere Gesichter sind keine zwanzig Zentimeter voneinander entfernt. Es ist so seltsam, miteinander zu reden, wie wir es fast immer getan haben, aber die körperliche
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