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Die Frau des Polizisten

Die Frau des Polizisten

Titel: Die Frau des Polizisten
Autoren: Ingrid Elfberg
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hellhöriger gewesen, war ihrem siebten Sinn gefolgt, hatte eins und eins zusammengezählt? Es hatte sie schließlich gegeben, die unterschwelligen Warnsignale. Sie hatte es doch wahrgenommen, dieses Beklommenheitsgefühl, hatte aber nicht sehen, es nicht akzeptieren wollen. Und warum verlor sie ihre Kraft, alles, was sie ausmachte, ja, sein sollte?
    Göran presste ihre Unterarme auf die Matratze, drückte siemit seinem breiten Brustkorb aufs Bett und wartete, bis sie keinen Widerstand mehr leistete. Seine Finger gruben sich in ihre Wangen, er presste seine Lippen auf ihren Mund und verlangte mit seiner Zunge Einlass. Erika wimmerte, bekam keine Luft mehr und kapitulierte. Sie nahm seinen keuchenden alkoholgetränkten Atem wahr, den Geruch von Geilheit und Adrenalin. Sie kniff fest die Augen zusammen, ließ ihre Gedanken davongleiten, so weit wie möglich, außer Reichweite des Ungeheuers.
    Mühsam öffnete Erika die Augen. Im Haus war es still und dunkel. Silvesterböller, das schrille Pfeifen von Feuerwerkskörpern und fröhliches Stimmengewirr, das von der Straße heraufdrang, ließen darauf schließen, dass es kurz vor Mitternacht war. Nur mit einem BH bekleidet lag Erika zusammengerollt auf dem Bett. Sie atmete so leise wie möglich und horchte – aus den im Dunklen liegenden Räumen drang kein Laut.
    Göran war gegangen. Zur Party? Dort würde er sich bestimmt wieder über sie lustig machen: »Ihr kennt doch Erika, irgendwas hat sie immer. Und dann ständig diese verfluchten Kopfschmerzen!« Verstimmt, weil er nicht mit ihr angeben konnte, und befriedigt zugleich, weil sie nicht die Blicke anderer Männer auf sich ziehen konnte. Vorsichtig streckte sie ihren steifen Körper, das Atmen tat ihr weh. Ihr war kalt. Nur mit Mühe richtete sie sich auf, schaute in die Spiegeltür des Kleiderschranks und musterte die Blutergüsse, die sich dunkelrot und violett schimmernd über ihre Brüste und Oberarme zogen, reckte den Hals und sah die Spuren, die seine Fingerabdrücke dort hinterlassen hatten. Ihre linke Hand brannte vor Schmerz. Mit der rechten raffte sie schnell ein paar Kleider zusammen und stopfte sie in den Rucksack,den sie vom Schrank herunterangeln konnte. Sie griff tief in die Wäscheschublade und zog den Waschbeutel heraus, der schon fertig mit Zahnbürste, Pflastern, Abdeckcreme, einer zweiten Brieftasche, Pass und Kontaktlinsen gepackt war.
    Sie zog sich ungelenk an und schluckte den Schmerz und die Tränen, die ihr im Hals saßen, herunter. Nachdem sie sich rasch im Schlafzimmer umgesehen hatte, wie um ihren Entschluss zu besiegeln, betrat sie den Flur. Dort war es seltsam still, nichts rührte sich.
    »Boss? Wo bist du, Junge?«
    Sie griff nach ihrer Daunenjacke, dem Schal, den Handschuhen und schlüpfte dabei gleichzeitig in die Schnürstiefel. Einen kurzen Moment lang hielt sie inne und betrachtete ihr Hochzeitsfoto, das auf der Kommode stand. Ein schönes Paar in einer Momentaufnahme erstarrt, mit strahlenden tiefblauen Augen und einem glücklichen Lächeln. Die Sonne ließ ihre blonden Haare aufleuchten, der Wind spielte mit den Blumen und dem schweren Stoff ihres Brautkleides. Sie sahen wie Geschwister aus, dieselbe Augenfarbe, dasselbe Lächeln, dieselbe Gesichtsform – ähnelten sich wie Ehepartner, die schon so lange zusammengelebt hatten, dass ihre Gesichtszüge sich angeglichen hatten. Das hatten alle gesagt. Erika drehte dem Foto den Rücken zu, ging durch den Flur und zischte vorsichtig:
    »Boss? Wir gehen jetzt, komm! Wo bist du, Streuner?«
    Verdammt, ihr blieb jetzt keine Zeit für Spielchen. Sonst schlief er nie so fest, sowie sie sich rührte, kam er auf sie zugelaufen, fröhlich und lebhaft. Gerade als sie ins Wohnzimmer gehen wollte, um zu sehen, ob er es gewagt hatte, sich in Herrchens Lieblingssessel zu legen, fiel ihr Blick auf den Haken, an dem sonst immer die Hundeleine hing – er war leer.
    »Nein!«, rief sie mit tränenerstickter Stimme aus. »Du verfluchtes Schwein, du …«
    Erika durchwühlte die Schals und Jacken, nirgends eine Spur von einer Leine. Sie schwankte, wischte sich die Nase am Handrücken ab, nahm das eingerahmte Foto des Hundes von der Kommode und stopfte es in den Rucksack, hastete durch den Flur, rief in der Küche und dem Wohnzimmer nach ihm, doch nichts rührte sich. Erika verließ das Haus, zog die Tür fest hinter sich zu und schloss ab. Ohne einen Blick zurück, hastete sie im Laufschritt durch die Gartenpforte und um die Ecke.
    Bunte
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