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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition)
Autoren: Pam Jenoff
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„Wo ist Mattie?“
    Der andere Mann deutet mit dem Kopf in Richtung Schloss. „Ich glaube, ich habe ihn da drüben gesehen.“
    Dr. Verrier dreht sich zu mir. „Würden Sie bitte …?“
    „Selbstverständlich.“ Ich eile um das Schloss herum. Hier ist alles ruhig, als wäre ich hier Welten von dem Chaos auf der anderen Gebäudeseite entfernt. Ich suche die Terrasse ab, doch die ist menschenleer. Vielleicht hat sich der Soldat ja geirrt, und sein Kamerad ist gar nicht hier. Ich überlege, was ich machen soll, dann beschließe ich, Dava um Hilfe zu bitten. Gerade gehe ich zur Tür, da bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass sich etwas auf der Rasenfläche vor dem See bewegt. Ich sehe genauer hin und erkenne einen dunkelhaarigen Soldaten, der dort im Gras liegt. Das muss der Gesuchte sein. Zügig überquere ich den Rasen. „Entschuldigen Sie bitte“, sage ich laut, da er mich anscheinend nicht bemerkt hat. So langsam, als hätte ich ihn aus dem Schlaf geholt, dreht er sich zu mir um. Als ich sein Gesicht erkenne, verschlägt es mir den Atem.
    Der Mann dort ist Paul, der Soldat, der mich gerettet hatte.

4. KAPITEL
    Ich stehe reglos da und starre den Soldaten an. Ist das wirklich der Mann, der in meiner Zelle gewesen ist? Ja, die großen blauen Augen sind unverwechselbar. Mir stockt immer noch der Atem. „Kann ich etwas für Sie tun?“, fragt er und legt den Kopf schräg. Ich erkenne die tiefe, melodische Stimme wieder. Aber sein Tonfall ist förmlich, und das gilt auch für seine Miene. Er erkennt mich nicht.
    Natürlich nicht. Wahrscheinlich hat er nach mir noch Hunderte Lagerinsassen befreit. Ich zögere, da ich ihm eigentlich sagen möchte, wer ich bin. Ich will ihm dafür danken, dass er mich gerettet hat. Aber dann fällt mir wieder die lange Schlange der Wartenden vor dem Schloss ein. Ich habe keine Zeit für private Unterhaltungen, also räuspere ich mich und setze zu meiner Frage an: „Ich … ich brauche …“ Schlagartig lässt mich mein Englisch im Stich. Ich stammele, atme einmal tief durch und versuche es noch einmal, langsamer diesmal. „Ich suche einen Soldaten … Mattie?“
    „Das bin ich. Mattie. Eigentlich Paul Mattison.“ Paul Mattison, wiederhole ich seinen Namen im Stillen. Während ich ihn ansehe, überkommt mich ein eigenartiges Gefühl. In Gedanken habe ich diesen Augenblick so oft herbeigesehnt. Ich kann kaum glauben, dass er jetzt da ist. „Kommen Sie wegen der Liste?“, fragt er, und ich nicke. Er gähnt und streckt sich genüsslich, dann zieht er ein Dokument aus seiner Brusttasche und hält es mir hin. „Hier.“
    Während ich einen Schritt auf ihn zumache, beginnt mein Herz laut zu klopfen. Er sieht sogar noch besser aus, als ich es in Erinnerung hatte. Aber aus der Nähe bemerke ich seine blutunterlaufenen Augen, er sieht aus, als habe er seit Tagen nicht geschlafen. Dunkle Bartstoppeln überziehen seine Wangen und das Kinn, seine Uniform ist schmutzig. Als ich mich vorbeuge, um das Papier an mich zu nehmen, erkenne ich den Geruch nach Erde und Kiefern wieder. Aber ich rieche noch etwas anderes, etwas Süßliches und zugleich Stechendes. Alkohol. Paul hat getrunken. Plötzlich will ich nur noch die Flucht ergreifen. „Danke.“ Ich nehme die Liste an mich und wende mich zum Gehen. Ich bin zutiefst enttäuscht. Ist dieser betrunkene Soldat tatsächlich der Mann, der mich gerettet hatte?
    „Miss“, ruft er mir nach, und als ich mich umdrehe, sehe ich, wie er auf wackligen Beinen hinter mir herkommt. „Warten Sie.“ Beim Näherkommen fällt mir auf, dass seine Haare und sein Gesicht jetzt nass sind, so als hätte er den Kopf kurz unter Wasser getaucht. Nun mischt sich auch noch der Geruch von abgestandenem Wasser in seine Alkoholfahne. „Kenne ich Sie nicht von irgendwoher?“
    Mein Herz rast. Er erinnert sich an mich, doch als ich seinen fahrigen Blick bemerke, wird mir klar, dass das nicht von Bedeutung ist. „Ich … ich glaube nicht“, bringe ich heraus.
    Verdutzt sieht er mich an. „Aber …“
    „Przeprasz…“, erwidere ich und merke erst dann, dass ich ins Polnische verfallen bin. „Entschuldigen Sie, aber ich werde gebraucht.“ Mit diesen Worten mache ich abermals kehrt und laufe um das Schloss herum.
    Dr. Verrier steht noch immer neben dem Tisch und hat gereizt die Arme vor der Brust verschränkt. „Tut mir leid“, murmele ich und setze mich. Die beiden Soldaten heben die abgesetzte Trage wieder auf, unterdessen falte ich die zerknitterte Liste
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