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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
Autoren: Charlotte Sandmann
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trocknete, erklärte
     sie in ihrer entschlossenen Art: »Well, nun erzählen Sie mir einmal ganz genau, was passiert ist, damit ich mir ein Bild machen
     kann, und dann machen wir uns ans Werk, Ihren guten Ruf wiederherzustellen!«
    Louise stellte fest, dass ihre neue Freundin gar nicht auf den Gedanken kam, sie erst zu fragen, ob sie denn unschuldig sei.
     Wärme breitete sich in ihrer vor Furcht und Jammer zitternden Seele aus. Mit leiser gebrochener Stimme vertraute sie der Engländerin
     ihre schrecklichen Erinnerungen an den Vortag an.

2
    Der siebente Februar 1898 war ein unfreundlicher Tag. Am Horizont aufquellende olivfarbene Wolken kündigten Schneeregen an.
     Der Winter ging seinem Ende zu, und obwohl es nicht mehr eisig kalt war, zeigte sich Hamburg von seiner ungemütlichsten Seite.
     Die mühsam um ihren Platz am Himmel kämpfende Morgensonne fiel mit schwachem, gelblichen Schein durch die Fenster, hinter
denen das Frühstückszimmer des Hauses Paquin lag, und spiegelte sich in den sorgfältig polierten Möbeln. Der Raum war wie
     ein Antiquitätenladen voll gestopft mit Lampen, Gemälden, Spiegeln, Kerzenleuchtern, Blumensäulen und Hockern, die kreuz und
     quer verteilt auf dem riesigen jadegrünen chinesischen Teppich standen.
    Louise hatte das Zimmer klar vor Augen.
    »Es fing gestern am Morgen an«, begann sie. »Wir hatten uns alle zum Frühstück versammelt   …«
    »Wer ist wir?«, fragte Lady Amy in inquisitorischem Ton.
    »Der Privatsekretär meines Gatten, Herr Hansen, dann der Geschäftsführer der Apotheke, Magister Schlesinger, eine Kusine meines
     Mannes, die bei uns im Haus lebt, Fräulein Paula Hahne, und sein Neffe, der Oberleutnant Emil von Pritz-Toggenau. Und, ja,
     unser Hausarzt, Dr.   Thurner. Seit es Raoul so schlecht ging, kam er jeden Tag.«
    »Menschen, denen Sie und Ihr Gatte vertrauen konnten?«
    »Oh ja. Ich meine   … Der Magister ist sehr zuverlässig und war meinem Gatten stets ergeben, wie Herr Hansen auch.«
    Ein Lächeln huschte über ihre blassen Lippen. Sie dachte daran, dass Raoul sich immer gebärdet hatte, als hätte er mit Frederick
     Hansen nicht einen Privatsekretär engagiert, sondern ein seltenes und vom Aussterben bedrohtes Tier eingefangen – und sie
     musste zugeben, dass der junge Mann, der seit einem Jahr in seinen Diensten stand, ein wirklich ungewöhnliches Exemplar war.
     In allen Richtungen gleich begabt und geschickt, wechselte er mühelos ein Dutzend Mal am Tag die Rollen und fungierte je nach
     Bedarf als Kammerdiener, Sekretär und wissenschaftlicher Assistent – und in letzter Zeit immer öfter als Pfleger für den zunehmend
     hinfälliger werdenden Apotheker. Er nahm es mit bewundernswerter Gelassenheit hin, ständig verunglimpft und mit den absurdestenVorwürfen überhäuft zu werden. Wo jeder andere längst gekündigt hätte, sagte er nur: »Er ist ein kranker Mann.«
    Einen flüchtigen Augenblick lang ging Louise die Erinnerung an das Dienstbotengeschwätz durch den Kopf, von dem einiges auch
     an ihre Ohren gedrungen war: dass er bis über beide Ohren in sie verliebt sei. Frederick war allerdings nie etwas dergleichen
     anzumerken gewesen. Er war und blieb ein treuer Diener seines Herrn und ganz dessen Wohlergehen gewidmet. Die schöne Hausfrau
     schien er nur am Rande wahrzunehmen.
    Lady Amy beobachtete sie scharf. »Herr Hansen also, hm   … Und die anderen?«
    »Ich bin überzeugt, dass keiner von ihnen meinem Gatten ein Leid angetan hat.«
    Sie war über den Gedanken an Frederick errötet, und weil Amy dieses Erröten zweifelsohne bemerkt hatte, war sie jetzt gereizt
     und kurz angebunden.
    »Wir saßen alle schon bei Tisch, aber Raoul kam nicht, also bat ich Herrn Hansen, ihn zu suchen. Und dann   …« Sie schluckte schwer. »Dann sagte Herr Hansen, Raoul habe sich im Bad eingeriegelt und antworte auf kein Rufen und Klopfen.
     Also schauten wir nach.«
    Das Badezimmer lag am Ende eines düsteren, nur von einer schwachen Kugellampe erleuchteten Korridors, dessen Fenster auf einen
     Hinterhof hinausgingen. Kein Laut war hinter der Tür zu hören, als Frederick Hansen noch einmal und sehr energisch klopfte.
     Sigmund Schlesinger, den alles aus dem Gleichgewicht brachte, was seinem gewohnten Trott widersprach, jammerte plötzlich mit
     schriller Stimme: »Er ist tot! Er ist ganz gewiss tot!«
    Louise fuhr dieser Aufschrei durchs Herz wie ein Pfeil. Sie stürzte, von jäher Angst überwältigt, nach vorne. »Raoul! Raoul!
Was
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