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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
Autoren: Charlotte Sandmann
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sie geweint, aber dann war
     sie mit dem gutherzigen Apotheker, der ihr mehr Vaterliebe als Gattenliebe entgegenbrachte, erstaunlich glücklichgeworden. »Er wurde mir wie ein zweiter Vater. Er freute sich an meiner Jugend und Schönheit, und ich freute mich an seinem
     Reichtum und der hohen Wertschätzung, die er bei den Honoratioren genoss. So waren wir beide recht glücklich.«
    Dann lachte sie plötzlich – ein kindliches Lachen. »Ich fühlte mich wie Aschenputtel, als sich sein Kürbis plötzlich in eine
     goldene Kutsche verwandelte und die Mäuse in edle Pferde.«
    »Aber Ihr Prinz war ein alter Mann.«
    »Das schon. Aber er war weder vertrottelt noch unappetitlich. Er war klug, witzig, liebenswert und auch körperlich nicht unangenehm.
     Wie unser Leben aussehen mochte, wenn er einmal wirklich ein Greis sein würde, darüber machte ich mir keine Gedanken.«
    »Sie sagten wiederholt, Sie könnten Ihren Mann nicht mehr ertragen.«
    Sie zuckte die Achseln. Was verstand dieser Polizist denn davon! Die letzten Monate waren so schlimm gewesen, dass sie manchmal
     gedacht hatte, sie müsse vor dem Kranken mit seinen Wahnvorstellungen fliehen, wohin auch immer, und sei es in Elend und Not.
     Aber jetzt war es noch ärger. Sie vermisste Raoul – den Mann, der er gewesen war, ehe die heimtückische Krankheit ihn übermannt
     hatte. Armer Raoul. Das Leben war zuletzt für ihn und alle um ihn eine Qual gewesen. Er hatte ihrer aller Liebe und Respekt
     bis aufs Äußerste strapaziert und doch keine Schuld an seinem unausstehlichen Verhalten getragen.
    »Das war erst, als er so krank wurde. Sie können sich ja nicht vorstellen, wie das ist, wenn man ständig geschmäht und ungerecht
     verdächtigt wird. Ja, gewiss habe ich in letzter Zeit dann und wann gesagt, ich hielte es nicht mehr aus. Alle sagten das.
     Seine Familie, seine Freunde, seine Angestellten.«
    »Das hat viel böses Gerede ausgelöst.«
    Sie antwortete mit unerwarteter Schärfe: »Böses Gerede verfolgt mich seit dem Tag, an dem Raoul mich zu sich holte. Ganz gleich,
     was ich tat oder nicht tat, sie schleiften mich durch den Dreck. Als hätte ich ihn betört oder verführt, um an sein Geld zu
     kommen! Und jetzt heißt es auch noch, ich hätte ihn umgebracht!«
    »Der Verdacht ist sehr naheliegend, Frau Paquin.« Der Beamte erhob sich. »Die Obduktion der Leiche Ihres Gatten hat ergeben,
     dass er tatsächlich vergiftet wurde und sich aus Verzweiflung darüber das Leben nahm.«
    »Vergiftet? Wie denn?« In ihrer Erregung sprang sie auf und packte den Detektiv am Arm. »Das ist unmöglich! Das war eine von
     seinen Wahnvorstellungen! Der Nervenarzt sagte doch, er leide an Gehirnschrumpfung. Und unser Hausarzt merkte auch nichts
     Verdächtiges.«
    »Beide haben sich geirrt. Herr Paquin wurde das Opfer einer Bleivergiftung, die genau diese unbestimmten und leicht zu verwechselnden
     Symptome von greisenhafter Verblödung erzeugte. Ob ihm das Metall mit Absicht verabreicht wurde, ist noch eine offene Frage.«
    »Aber Sie sind bereits überzeugt, dass ich es war?«
    Er zuckte die Achseln. »Meine Überzeugung gilt nichts. Auf die Beweise kommt es an. Oh, übrigens   … Haben Sie das schon einmal gesehen?«
    Sie blickte ratlos das wunderliche Objekt an, das er ihr vorlegte. Es war eine feste, auf roten Glanzkarton geklebte Scheibe
     aus Pergament, die auf der Rückseite in einer Ecke das Datum 31.   Oktober 1897 und daneben die Notiz »Fir Hrn. R.   Packin, Apoteka« aufwies. Das waren die einzig leserlichen Vermerke darauf. Die pergamentene Vorderseite war in zwölfAbschnitte geteilt, die in karmesinroter Tusche mit fremdartigen Lettern, Zahlen und unverständlichen Bildern bemalt waren.
    »Nein, das ist mir ganz unbekannt. Woher stammt es?«
    »Zuletzt befand es sich im Morgenrock Ihres Gatten.« Mit diesen Worten steckte er den Schreibblock in seine Tasche und erhob
     sich. Der Blick, den er ihr zuwarf, war ernst, aber nicht unfreundlich. »Man wird Sie noch heute Vormittag dem Untersuchungsrichter
     vorführen. Wenn Sie unschuldig sind, fassen Sie Mut! Sie können sicher sein, dass wir die Beweise sorgfältig und unvoreingenommen
     prüfen werden.«
    Wieder allein, sank Louise auf der Pritsche in sich zusammen. Wie ein Felsblock lastete die Erkenntnis auf ihr, dass sie alle
     Raoul zu Unrecht für verrückt gehalten hatten. Er hatte recht gehabt, als er darüber klagte, dass eine fremde und feindliche
     Substanz in seinem Körper wütete. Vielleicht
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