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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
Autoren: Charlotte Sandmann
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Finger bekam und sich womöglich noch einen Schaden
     tat.
    Der Prozess endete mit einem Freispruch, und Fräulein Eugenie nahm noch am selben Tag, an dem sie triumphierend aus dem Gerichtssaal
     schritt, den Heiratsantrag eines englischen Lords an. Beide verließen in aller Eile Deutschland.
    Der abschließende Kommentar des Doktors lautete: »Gottschütze England! Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis wir von einer reichen Witwe in London hören   …«
    Der zweite Brief kam von Lady Harrington und enthielt den folgenden Absatz:
     
    »Du hast dir oft den Kopf zerbrochen, was mich zu einer so erbitterten Feindin der Männer gemacht hat. Ich weiß ja, wie viel
     über mich getuschelt wird und welche Fragen sich meine Freundinnen stellen. Ich habe diese Fragen nie beantwortet und würde
     auch dir keine Antwort geben, wäre ich nicht so sicher, dass wir uns nie wiedersehen werden.
    Du weißt wohl, dass meine Mutter bei meiner Geburt starb. Als ich etwa sechs Jahre alt war, verbrachte ich den Sommer bei
     Mutters Schwester, meiner Tante Clara, auf ihrem Gut in Northumberland. Es wurde ein schrecklicher Sommer für mich, denn Clara
     wurde nicht müde, mir das entsetzliche Leiden meiner Mutter in allen Einzelheiten zu schildern. Ihre Angst davor, ein Kind
     zu bekommen, die Qualen der Schwangerschaft, die sehr schwierig und schmerzhaft verlief, und das Grauen vor der Geburt. Vielleicht,
     so denke ich heute, ahnte sie schon, was ihr unter den Händen eines unfähigen und eigensinnigen Arztes bevorstand. Wenn Tante
     Claras Berichte der Wahrheit entsprachen, so muss es ein Wunder gewesen sein, dass wenigstens ich überlebte.
    Dieser Aufenthalt in Tante Claras Haus hat mein Leben für viele Jahre verdunkelt. Das Wort »Frauenleben« erweckte in mir nur
     Erinnerungen an die Leiden meiner Mutter, den Gram meines Vaters, den Zorn meiner Tante, die ihre Lieblingsschwester so früh
     verloren hatte – und meine eigenen Schuldgefühle. Hätte meine Mutter kein Kind bekommen, so wäre sie noch am Leben. Damals
     entschloss ich mich, niemals Kinder zu bekommen. An
diesem Entschluss wollte ich auch festhalten, als ich mich in einen jungen Mann verliebte. Ach, Louise! Du würdest nicht glauben,
     dass ich so sentimental, so völlig blind vor Liebe sein konnte! Er war mein Ein und Alles. Er kam aus einem guten Haus, und
     so stimmte mein Vater der Verlobung zu. Es erschien mir nur recht und billig, ihn, ehe wir unseren Bund für immer besiegelten,
     darüber aufzuklären, dass ich mich nicht imstande fühlte, Kinder zu bekommen.
    Ich werde nie vergessen, wie er mir antwortete: »Eine Frau, die ihren Lebenszweck nicht erfüllt, hat auch kein Lebensrecht.«
     Mein Lebenszweck! Gilt eine Frau ohne Kinder denn nichts? Ist sie ein leeres Gefäß, das nur der Mann füllen kann? Wir hatten
     einen furchtbaren Streit, und am nächsten Morgen teilte er meinem Vater sehr kühl mit, dass er an einer Verbindung nicht weiter
     interessiert sei.
    Für mich brach eine Welt zusammen. Mein Vater – in der Meinung, eine Reise in die englische Heimat und ein Aufenthalt bei
     Verwandten würden mir guttun – schickte mich zu Tante Clara. Und dort, auf vielen einsamen Spaziergängen und in vielen langen
     Gesprächen mit meiner Tante, bildete sich meine Lebensüberzeugung heraus: Der Lebenszweck einer Frau besteht nicht darin,
     einem Mann Kinder zu schenken und dafür ihren Seelenfrieden, ihre Gesundheit, ja ihr Leben zu opfern, wie es meine unglückliche
     Mutter getan hatte. Nur die Männer redeten uns das ein, täuschten uns mit ihrer Schmeichelei, um zu erreichen, dass wir zu
     jenen leeren Gefäßen wurden, die sie mit ihrer Lust, ihrem Ehrgeiz, ihrem gockelhaften Bedürfnis nach der ›Frucht ihrer Lenden‹
     füllen durften. Niemals, sagte ich mir. Mein Leben sollte nicht in Blutungen und Fieberdelirien enden. Ich würde mehr und
     Besseres daraus machen.
    Das ist meine Geschichte.
     
    Louise faltete den Brief zusammen und stand eine Weile unschlüssig da, dann, mit einer jähen Bewegung, hielt sie ihn an die
     Flamme des Bunsenbrenners in ihrem Laboratorium. Er loderte auf und zerfiel zu Asche. Niemand sollte das traurige Geheimnis
     erfahren, das Amy ihr anvertraut hatte.

A nmerkungen:
    Die ehrgeizige Apothekerin Louise Paquin, ihre Freunde und Feinde sind so fiktiv wie die Handlung des Romans. Historische
     Tatsache ist jedoch, dass die Frauen einen schweren Kampf auszufechten hatten, um in der Männerdomäne der Pharmazeutik
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