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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
Autoren: Charlotte Sandmann
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gerötetes Gesicht unter einem Dienstbotenhäubchen durch den Spalt lugte.
    »Sie wünschen?«
    »Kriminalpolizei. Polizeirat Wilhelm Heidegast. Ich komme zu der Familie Pritz-Toggenau.«
    »Die sind nicht da. Die sind heute Morgen aufs Schloss gefahren, zur Familie.« Das Mädchen, dem er jetzt anmerkte, dass es
     fleißig vom Weihnachtspunsch genascht hatte, gestikulierte vage.
    »Ich möchte mich gerne in der Wohnung hier umsehen.« Und als er sah, wie sie den Mund verzog, setzte er eilig hinzu: »Ich
     brauche Sie nicht. Die beiden Herren hier werden mir helfen. Setzen Sie Ihre Weihnachtsfeier ruhig fort.« Er drängte an ihr
     vorbei, ehe sie es sich noch einmal anders überlegen konnte.
    Sie schloss die Haustür hinter ihm. Heidegast fand sich in einem langen, dunklen, säuerlich riechenden Flur, an dessen Ende
     eine Treppe in die Küche hinabführte. Von dort leuchtete ein warmes Licht herauf, und er hörte eine Männerstimme rufen: »Wo
     bleibst du denn? Dein Essen wird kalt!«
    »Komme schon!«, rief das Mädchen. Damit verschwand sie in Richtung Küchentreppe.
    Von dem langen Flur gingen links und rechts Türen ab. Gefolgt von seinen Untergebenen trat Heidegast in ein Zimmer nach dem
     anderen und machte das Licht an.
    Die Wohnung war immer noch um einiges teurer ausgestattet als seine eigene, aber zu einer adligen Familie wollte sie doch
     nicht recht passen. An allen Ecken und Enden merkte man, wie die Baronin versuchte, Wohlstand vorzutäuschen. Heidegast kannte
     diese Art von Hochstapelei. Sie war ihm schon oft begegnet, vor allem bei jenen Abkömmlingenalter und hoch angesehener Familien, die zwar einen Titel, aber kein Geld geerbt hatten. Möglicherweise war auch das Schloss,
     in dem Frau Hermine und ihre beiden Kinder jetzt Weihnachten feierten, ein vom Schimmel durchwucherter Steinkasten. Aber das
     kümmerte ihn nicht. Er war nur hier, um rauszufinden, ob es tatsächlich Fräulein Eugenie gewesen war, die den teuflischen
     Anschlag geplant hatte.
    Ihre Räumlichkeiten, bestehend aus einem Salon und einem schmalen Boudoir, waren mit so viel Geschmack und Eleganz eingerichtet,
     wie man aus einem schmalen Budget nur herauspressen konnte. Man merkte den Räumen an, dass Eugenies hauptsächliches Interesse
     ihrem Aussehen galt. Der begehbare Kleiderschrank war wohlgefüllt, der Frisiertisch im Boudoir vollgeräumt mit Tiegeln, Tuben
     und geschliffenen Parfümfläschchen. Allein den Kleiderschrank sorgfältig zu durchsuchen hätte viel Zeit in Anspruch genommen.
     Heidegast nahm jedoch an, dass sie, wenn es etwas zu verbergen gab, dasselbe Versteck oder ein ähnliches wählen würde wie
     im Löwenhaus. Er zog seine Handschuhe an und gab den Männern Anweisung, als Erstes das Bett zu durchsuchen.
    Das Bett hier war ein modernes Metallbett. Sie untersuchten es sorgfältig, deckten es ab, hoben die Matratze an und untersuchten
     die Sprungfedern, ohne etwas zu finden. Schon wollte der Polizeirat die Suche aufgeben, als ihm die vier flammenähnlichen
     Metallknäufe an den Bettpfosten auffielen. Diese Knäufe waren bei teuren Metallbetten angeschweißt; die billigen bestanden
     jedoch aus hohlen Messingrohren, auf denen der Zierrat aufgeschraubt wurde. Er fasste einen davon und versuchte ihn zu drehen.
     Dieser Knauf rührte sich nicht, aber als er sich die anderen vornahm, stellte er fest, dass sich einer davon doch abschrauben
     ließ.
    Auf den Zehenspitzen stehend spähte er in das Rohr hinein und sah etwas darin glitzern. Er pfiff leise durch die Zähne. Jetzt
     zögerte er nicht mehr. Mit einigem Stochern und Stöbern gelang es ihm, den Inhalt aus der Höhlung zu befördern.
    In seiner behandschuhten Hand lag eine fingerlange gläserne Phiole mit einem Korken, darin verwahrt ein etwa einen Zoll langes
     zylindrisches Stäbchen aus einem silbergrauen Material. Auf dem Glas waren deutlich Fingerabdrücke zu sehen.
    Heidegast ergriff die Phiole mit großer Vorsicht mit einem Taschentuch, steckte sie in ein Kuvert, das er auf dem Schreibtisch
     fand, und klebte es zu. Er lächelte zufrieden vor sich hin. Wenn die Abdrücke auf dem Glasröhrchen Fräulein Eugenie gehörten,
     würde es ihr schwerfallen abzustreiten, dass der Giftvorrat ihr Eigentum war.
    Seine Gedanken wanderten zu dem unglücklichen Fräulein Hahne. Jetzt erschien ihm ihr Geständnis in einem ganz anderen Licht.
     Eine zutiefst frustrierte und verbitterte Frau, die wusste, dass sie todkrank war, und sich immer mehr mit dem Gedanken
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