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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
Autoren: Charlotte Sandmann
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Kinder so etwas findet   …«
    »Worum geht es denn?«
    »Kommen Sie, ich will es Ihnen zeigen.«
    Immer noch konfus vor sich hin schwatzend, stieg er Louise voran die Freitreppe hinauf und eilte mit flatternder Soutane den
     Flur entlang. Unterwegs erzählte er, dass Paula Hahnes ehemaliges Zimmer zu einer Bibliothek für ihn selbst umgestaltet werden
     sollte, da die Kinder darin nicht spielen und schon gar nicht schlafen wollten und auch die Nonnen es nur widerwillig betraten.
     Ärgerlich bemerkte er: »Wenn man in keinem Zimmer schlafen wollte, in dem schon irgendwann ein böser Mensch gehaust hat, dann
     müsste man unter Gottes Sternenhimmel wohnen!«
    Leitern und Eimer mit Farbe standen vor dem Zimmer. Die massiven Nussholzmöbel waren bereits in ihre Teile zerlegt worden.
     Abbé Maxiant trat ein und sprach die Klosterschwester, die dort wartete, an: »Zeigen Sie bitte Frau Paquin, wo die Arbeiter
     es gefunden haben.«
    Die Schwester, eine kräftige, bäurische Person, führte Louise in das Schlafkabinett, in dem das zerlegte Bett an der Wand
     lehnte.
    »Als die Arbeiter gestern das Bett auseinandernahmen, fiel das da heraus.« Sie griff nach einer Handvoll zerknitterter Papierbögen.
     »Erst warfen sie es auf den Kehrichthaufen« – dabei deutete sie auf ein Häufchen Staub und Holzsplitter im Winkel – »aber
     heute Morgen kam einer zu mir, echauffierte sich und sagte, wir sollten doch nicht zulassen, dass die Kinder so etwas zeichneten.
     Da habe ich es mir angesehen. Und Sie können mir glauben, niemals würden unsere Kinder so etwas zeichnen!«
    Als sie Louise die Blätter reichte, gab diese einen Laut des Abscheus von sich. Fassungslos starrte sie auf ein Palimpsest
     bösartiger Kritzeleien, kindisch und doch nackte Furcht erregend. Mit Bleistift gezeichnet, waren in beklemmender Wiederholung
     eigentümlich geformte Grabsteine mit der Inschrift »In hasserfüllter Erinnerung an   …« zu sehen, unter denen Leichen lagen. Immer wieder erschienen verzerrte Bilder von Särgen, die statt eines Kreuzes auf dem
     Deckel den kunstvoll verschnörkelten Schriftzug »Gift« trugen. Kreuz und quer war das Papier mit entsetzlichen Szenen bedeckt.
     Manche stellten Personen am Galgen hängend über Fässern voll Säure dar, mit Injektionsnadeln gespickt. Wieder andere lagen
     gefesselt auf Brettern und wurden von lachenden Henkern mit Trichtern gezwungen, Gift zu schlucken.
    Mit gepresster Stimme sagte Louise: »Gut   … Es ist gut, dass Sie mir das gezeigt haben. Ich werde es verbrennen. Denken Sie nicht weiter darüber nach.«
    In der Halle unten blieb sie vor dem mannshohen Kamin, in dem ein prächtiges Feuer loderte, stehen. Sie wollte die Papierblätter
     bereits hineinwerfen, als ihr Blick auf eine der Zeichnungen fiel. Ein Detail fesselte ihre Aufmerksamkeit. Langsam trat sie
     vom Feuer zurück, begab sich zur nächsten Wandlampe und vergewisserte sich, dass sie richtig gesehen hatte.
    Die Gruppe grotesker Särge, die einen Teil des Zeichenblattes einnahmen, waren mit Namen bezeichnet: Raoul, Louise, Paula,
     Julius, Hermine, Emil.
    Paula?
    Louise drehte die zerknitterten Blätter hin und her. Da waren die merkwürdigen Grabsteine, unter denen, eingewickelt wie Insektenpuppen,
     die Leichen lagen. Auch diese Leichen waren mit Namen bezeichnet. Auch hier fand sich eine Paula.
    Louise blinzelte. Sie spürte, wie ihre Hände kalt wurden, während ihre Wangen wie von Fieber glühten. Wie war das möglich?
     Es bestand doch kein Zweifel daran, dass Paula Hahne die Schuldige gewesen war. Sie selbst hatte es ja mit Stolz gestanden.
     Wer außer ihr konnte diese Ergüsse eines kranken Geistes im Bett versteckt haben?
    Aber jetzt, da sie argwöhnisch geworden war, fiel ihr noch etwas anderes auf. Nachdem Paula ihre Leibrente erhalten hatte,
     war sie Hals über Kopf ausgezogen, wahrscheinlich nach einer ihrer heftigen Streitereien mit den Pritz-Toggenaus, und Eugenie
     hatte das schöne Zimmer mit dem dreiteiligen Erkerfenster für sich beschlagnahmt.
    »Louise?«
    Sie fuhr herum und atmete erleichtert auf, als Amy vor ihr stand. »Ach, du bist es!«
    »Wen hast du denn erwartet? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen. Was hast du da in der Hand?« In ihrer üblichen
     forschen Art entwand sie Louise die Papiere und studierte sie. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Abscheus. »Wo
     hast du denn diese Kritzeleien her?«
    »Die Nonnen haben sie beim Renovieren in dem Zimmer
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