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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Autoren: Alexis Jenni
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zu beginnen wie in der Schlacht bei Kursk, aber sie wurden bei einem einzigen Luftangriff von Propellermaschinen zerstört. Die langsamen Bomber durchsiebten die Panzer mit Munition aus abgereichertem Uran, einem neuen kriegsgrünen Metall, das schwerer ist als Blei und daher beim Auftreffen auf Stahl eine hohe Durchschlagskraft besitzt. Die Panzer wurden an Ort und Stelle gelassen, und niemand warf einen Blick ins Innere der noch rauchenden Wracks, nachdem die todbringenden schwarzen Vögel wieder verschwunden waren; womit mochte das wohl Ähnlichkeit haben? Mit ins Feuer geworfenen, aufgeschlitzten Raviolidosen? Es gibt keine Bilder davon, die Panzerwracks blieben in der Wüste, mehrere Hundert Kilometer von allem entfernt.
    Die irakische Armee löste sich auf, die viertgrößte Armee der Welt wich in wildem Durcheinander auf der Autobahn nördlich von Kuwait-Stadt zurück, eine bunt gemischte Kolonne von mehreren Tausend Fahrzeugen, mit Kriegsbeute überladene Lastwagen, Zivilfahrzeuge und Busse, die sich im Schritttempo, Stoßstange an Stoßstange, voran bewegten. Diese Fahrzeugkolonne auf der Flucht wurde von, ich glaube, in geringer Höhe fliegenden Hubschraubern, oder waren es Flugzeuge, mit einer Reihe von »intelligenten« Bomben in Brand gesetzt, die ihre Aufgabe mit bemerkenswert hohem Mangel an Unterscheidungsvermögen erfüllten. Alles verbrannte, das Kriegsgerät, die zivilen Fahrzeuge, die Menschen und die Beute, die sie in der Erdölmetropole gestohlen hatten. Alles verschmolz zu einem Fluss aus Gummi, Metall, Fleisch und Plastik. Danach ging der Krieg zu Ende. Die sandfarbenen Panzer der Koalition machten mitten in der Wüste halt, stellten den Motor ab, und es herrschte Stille. Der Himmel war schwarz und der fettige Ruß der brennenden Ölquellen rieselte nieder, überall schwebte der ekelhafte Geruch von verbranntem Gummi vermischt mit dem von verbranntem Menschenfleisch.
    Der Golfkrieg hat nicht stattgefunden, wurde geschrieben, um anzudeuten, wie wenig er in unseren Köpfen präsent war. Für all die, die in diesem Krieg gestorben sind und deren Namen und Anzahl man nie erfahren wird, wäre es besser gewesen, wenn er tatsächlich nicht stattgefunden hätte. Im Verlauf dieses Kriegs wurden die Iraker gleichsam mit einem Schlag mit dem Pantoffel zerschmettert wie störende Ameisen, die einen beim Mittagsschlaf in den Rücken stechen. Die Toten auf Seiten der westlichen Koalition waren nicht sehr zahlreich, man kennt ihre Namen und die Umstände, die zu ihrem Tod geführt haben, in den meisten Fällen handelte es sich um einen Unfall oder um irrtümlichen Beschuss. Die Anzahl der irakischen Todesopfer wird man nie erfahren, und auch nicht, wie die einzelnen Menschen gestorben sind. Wie sollte man das schon erfahren? Es ist ein armes Land, sie haben dort kein Anrecht auf einen persönlichen Tod, sie wurden in Massen getötet. Sie sind gemeinsam verbrannt, zu einem Block verschmolzen wie bei einer Abrechnung von Mafiosi, wurden in ihren Schützengräben im Sand zermalmt, mit dem pulverisierten Beton ihrer Bunker vermischt, im geschmolzenen Eisen ihrer verbrannten Fahrzeuge oder Panzer verkohlt. Sie sind massenweise gestorben, es blieb nichts von ihnen übrig. Ihre Namen sind nicht überliefert. Dieser Krieg bringt Tod so wie Wolken Regen bringen; gemeint damit ist ein Zustand der Dinge, ein natürlicher Prozess, der sich ohne unser Zutun abspielt; und dieser Prozess tötet auch, denn kein Akteur dieses Gemetzels sah, wen er getötet oder wie er jemanden getötet hatte. Die Leichen befanden sich in der Ferne, ganz am Ende der Flugbahn von Marschflugkörpern, tief unter den Flügeln der sich schon wieder auf dem Rückflug befindlichen Flugzeuge. Es war ein sauberer Krieg, der keine Blutflecke auf den Händen der Mörder zurückließ. Es gab keine wirklichen Gräueltaten, nur das von Forschung und Industrie perfektionierte große Unglück des Krieges.
    Man könnte die Sache als unverständlich, als unbegreifbar abtun; man könnte Worte sagen lassen wie: Dieser Krieg ist wie ein Platzregen, das Schicksal hat es so gewollt. Die Erzählung ist ohnmächtig, dieser Krieg lässt sich nicht erzählen, die sonst übliche Darstellung hat sich in diesem Fall nur auf Anspielungen und ungeschickte Rekonstruktionen beschränkt. Was 1991 geschehen ist, was in jenem Jahr mehrere Monate lang das Fernsehen beherrschte, ist ohne Substanz. Und dennoch ist etwas geschehen. Man kann es nicht mit den herkömmlichen Mitteln
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