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Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren
Autoren: Bryan Smith
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fand das ein bisschen komisch. Eine junge Frau, die ihren gesellschaftlichen Aufstieg dermaßen kaltblütig plante, wäre so gut wie überall besser bedient gewesen als in einem kleinen Fliegenschiss auf der Landkarte wie Ransom. Das hatte er ihr auch gesagt und vorgeschlagen, in Nashville oder Memphis ihr Glück zu versuchen. Er konnte sie mit Referenzen ausstatten und etwas bei brauchbaren Anwärtern in einer größeren Stadt einfädeln ...
    Sie zeigte daran kein Interesse.
    »Ich will ihren Tod. Ich kann an nichts anderes mehr denken, Normie.«
    Damals hatte er versucht, es mit einem Lachen aus der Welt zu schaffen. »Herrgott, einem zimperlicheren Mann würde deine Denkweise Angst einjagen. Du willst also Audreys Platz einnehmen. Gut. Prima. Dafür gibt es andere Möglichkeiten – Scheidung zum Beispiel. Warum muss es gleich Mord sein?«
    »Mach dich nicht über mich lustig.«
    »Tu ich nicht.«
    »Du hältst mich für verrückt.«
    Verrückt ist gar kein Ausdruck, dachte er. Was er stattdessen sagte, war: »Unsinn.«
    »Jetzt hältst du mich für dumm.«
    Er seufzte.
    Diese Unterhaltung schien sich zu einem langen Gang durch eine dunkle, nervtötende Gasse zu entwickeln. Es gab offensichtlich nur einen Ausweg: Er musste Klartext reden.
    »Schätzchen, ich denke, du solltest anfangen, dich nach anderen Karrieremöglichkeiten umzusehen.«
    Damals flüchtete er sich in die Hoffnung, dass die Angelegenheit damit erledigt war. Er hätte es besser wissen sollen. Niemand, der offen den Gedanken an kaltblütigen Mord aussprach, gab sich mit einem stillen Abgang zufrieden.
    »Worüber müssen wir reden?«, hatte er vor einer Stunde gefragt und den Ahnungslosen gemimt.
    »Das weißt du ganz genau. Über dich und mich. Über uns.«
    Er reagierte wütend. »Es gibt kein ›uns‹. Ich dachte, das hätte ich klar zum Ausdruck gebracht. Ich lege jetzt auf, und ich will nichts mehr von dir ...«
    »Ich habe Bilder. Kompromittierende Bilder.«
    Fast setzte sein Herzschlag aus. »Was?«
    »Und ich hab Aufzeichnungen. Hör mal.«
    Vom anderen Ende der Leitung vernahm er ein Klicken, gefolgt von seiner eigenen Stimme. Und dann ihre Stimme. Ein gottverdammter Mitschnitt. Und es bestand kein Zweifel, was sich dort abspielte. Norman war erschüttert. Seine gesamte Welt fiel rings um ihn in Scherben. Verzweiflung ergriff ihn.
    »Komm bei mir vorbei«, forderte sie ihn auf. »Dann reden wir.«
    Blieb ihm überhaupt eine andere Wahl?
    Er folgte ihrer Wegbeschreibung die Weakley Lane entlang zu einem abgelegenen Abschnitt der zweispurigen Landstraße, die fast ausschließlich von Wald umgeben wurde, sobald man den ehemaligen Stützpunkt der Nationalgarde hinter sich gelassen hatte. Die vielen hohen Bäume empfand er als Bedrohung. Gedanklich merkte er sich vor, bei einigen Bauunternehmern vorzufühlen, die er kannte, um herauszufinden, ob sie daran interessiert waren, ein paar Hektar dieser verfluchten Bäume zu roden und stattdessen Wohnsiedlungen hinzubauen.
    Als er sich Meilenstein sechs näherte, verlangsamte er die Fahrt und behielt die gegenüberliegende Straßenseite im Auge, wie von ihr verlangt. Schon bald entdeckte er den schmalen Trampelpfad, den sie ihm als Zufahrt beschrieben hatte. Was für ein Quatsch. Anständige Zufahrten waren gepflastert. Als er auf die Lichtung rollte, richteten sich ihm beim Anblick des verwahrlosten Hauses die feinen Nackenhärchen auf. Doch es lag nicht nur am Haus, das ihm ein Gefühl von Unbehagen vermittelte. Sobald er auf die Lichtung gelangte, nahm er eine Veränderung in der allgemeinen Atmosphäre wahr, die ihm selbst in der Wärme seines 82er Cadillac Seville nicht entging. Das beunruhigte ihn und er spielte kurz mit dem Gedanken, zu wenden und sofort wieder zu fahren. Er hätte es tun sollen.
    Dann jedoch sah er sie.
    Louella saß auf der Veranda des alten Hauses und wirkte in langem Rock und dickem Pullover überaus prüde. Die Aufmachung ähnelte nicht annähernd den freizügigen Outfits, die sie im Büro bevorzugte. Norman parkte den Seville neben einem alten Buick Special, der aufgebockt in der Mitte der Lichtung vor sich hin rostete. Er stieg aus und näherte sich ihr misstrauisch. »Verdammt noch mal, Süße, warum zitierst du mich hier raus zu dieser alten Müllhalde?«
    »Familienbesitz. Hat meinem Großvater gehört, Frank Hollis. Er ist vor langer Zeit gestorben.
    Hollis. Hm .. .
    Warum kam ihm der Name vage bekannt vor? Etwas daran löste ein unangenehmes Kribbeln in ihm aus.
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