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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba
Autoren: Franziska Wulf
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verstellen, und er war wahrlich eine leichte Beute gewesen. Dabei wusste er doch genau, dass Luzifer selbst ebenfalls einer der Engel gewesen war – ein Wesen von überirdischer Schönheit –, bevor er sich von Gott abgewandt hatte und aus den himmlischen Heerscharen verstoßen worden war. Warum hatte er das nur vergessen? Stefano sank auf die Knie und ergriff das Gewand von Pater Giacomo.
    »Oh, ehrwürdiger Vater«, brachte er unter Schluchzen hervor, »ich bin es nicht wert, dass ich noch länger im Dienste des Herrn bleibe. Ich bin schwach. Ich habe mich durch eine plumpe List täuschen lassen und …«
    »Ich weiß«, sagte Pater Giacomo, und seine Stimme klang weder traurig, noch unfreundlich. Sie klang nicht einmal enttäuscht. Stefano blickte auf und sah zu seiner großen Überraschung, dass Pater Giacomo lächelte. Er lächelte ihn wirklich an! »Ich weiß, was geschehen ist. Eine Stimme hat zu dir gesprochen. Sie nannte uns Mörder. Und du glaubtest, es sei einer der Engel des Herrn gewesen. Ist es nicht so?«
    »Ja, ehrwürdiger Vater, genauso ist es gewesen«, stammelte Stefano. »Aber woher …«
    Pater Giacomo atmete tief ein und schloss kurz die Augen.
    »Erfahrung, Stefano. Auch ich habe diese Stimme gehört, und sie hat mir Ähnliches gesagt. Nicht hier und auch nicht heute. Das ist schon lange her. Damals, als ich noch jung war und unerfahren genug, um die Stimme eines Engels mit der des Teufels zu verwechseln. Ich weiß daher, wie leicht sich das menschliche Auge, das menschliche Ohr und der menschliche Geist täuschen lassen.«
    »Aber wie, ehrwürdiger Vater«, brach es aus Stefano heraus, »wie gelingt es, das eine vom anderen zu unterscheiden? Wie kann ich erkennen, ob mir ein Engel begegnet oder …« Er stockte. Er brachte das Wort nicht über die Lippen.
    »Eines Tages wirst du die Antwort kennen, Stefano«, sagte Pater Giacomo sanft und tätschelte ihm den Kopf wie einem Kind. »Doch bis du so weit bist, bis deine Erfahrung ausreicht, verschließe deine Ohren vor den Einflüsterungen der Frevler, damit dein Herz nicht von Zweifeln vergiftet wird, sondern du treu den Auftrag des Herrn erfüllen kannst. Bete, mein Sohn, bete um Stärke und die Offenbarung der Wahrheit, und der Herr wird dir beides gewähren. Und sei gewiss, dass Er, der Sein Leben für uns am Kreuz hingegeben hat, dir diesen Augenblick der Schwäche vergeben wird.«
    Stefano nickte und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen. Natürlich hatte er immer gewusst, dass er an Pater Giacomos Seite für die Reinerhaltung des Glaubens und für die Seelen der Menschen kämpfen musste, doch selten hatte er sich darin so bestärkt gefühlt.
    »Pater, ich …«
    »Es ist gut, mein Sohn. Jeder von uns muss hin und wieder gegen Dämonen kämpfen, auch wenn sie bei jedem ein anderes Gesicht tragen. Doch diese Prüfungen machen uns stark, stark für die Aufgabe, für die wir auserwählt wurden. Und nun erhebe dich, Stefano, und reiche mir die Liste mit den Anklagepunkten.«
    Während Stefano sich erhob, warf er einen kurzen Blick auf Pedro und Carlos, die reglos neben der Tür standen und Löcher in die Luft stierten. Wenn sie dem Gespräch zwischen ihm und Pater Giacomo gefolgt waren, so ließen sie es sich nicht anmerken. Vermutlich hatten sie es nicht einmal verstanden, da Pater Giacomo italienisch gesprochen hatte. Die beiden Diener waren wohl zuverlässig und versahen ihre Aufgabe gewissenhaft, aber sie waren nicht einmal klug genug, um ihre Namen schreiben zu können. Und eine Unterhaltung in einer zwar durchaus ähnlich klingenden, aber dennoch fremden Sprache zu verfolgen überstieg ihre Fähigkeiten bei weitem. Erleichtert atmete Stefano auf und holte eine Schriftrolle aus seinem Beutel. Er rollte das Pergament auseinander und überflog es rasch. Die Liste war erstaunlich kurz, obgleich Stefano darüber nicht wirklich überrascht war. Das Vergehen des Mädchens, das sie an diesem Tag verhören wollten, bestand in der Hauptsache darin, dass es sich von seinen Eltern und deren sündhaftem Treiben weder rechtzeitig distanziert noch es beizeiten einem Angehörigen der heiligen Inquisition gemeldet hatte. Mit Ketzerei, Hexerei und schwarzer Magie war es wie mit anderen Delikten – wer sich daran beteiligte oder half, es zu vertuschen, machte sich unwillkürlich desselben Verbrechens schuldig. Stefano rollte das Pergament zusammen und reichte es Pater Giacomo.
    »Es geht um Maria Alakhir, Tochter des Apothekers José
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