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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba
Autoren: Franziska Wulf
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Alakhir und seinem Eheweib Paloma«, sagte er und seufzte. »Sie ist noch keine fünfzehn Jahre alt.«
    »Und doch hat sie bereits schwere Schuld auf sich geladen«, erwiderte Pater Giacomo und schüttelte den Kopf. »Wollen wir hoffen, dass ihre Seele sich noch einen Rest kindlicher Unschuld bewahrt hat und dass sie zügig bereut. Nicht so wie ihre Mutter.«
    Stefano erschauerte, als er an dieses Verhör dachte. Der Vater, José Alakhir, ein bis vor kurzem angesehener und wohlhabender Apotheker aus Córdoba, hatte sich sehr einsichtig gezeigt und schon bald nach Beginn des Verhörs seine Schuld eingestanden. Nicht so seine Frau. Es war entsetzlich gewesen. Sie hatten die ganze Fülle aller der Inquisition zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen müssen, bis sie sich schließlich zu einem Geständnis durchgerungen hatte.
    »Dann lasst uns mit dem Verhör beginnen«, sagte Pater Giacomo und wandte sich an Carlos und Pedro. Jetzt sprach er wieder Spanisch. »Im Namen unseres Herrn Jesus Christus, führt die Angeklagte herein.«
    Carlos und Pedro verneigten sich vor Pater Giacomo und verließen den Raum. Stefano stellte sich hinter das Schreibpult. Er rückte das Tintenfass ein wenig weiter nach rechts, das Stundenglas nach links, legte die Feder genau in die Mitte und strich das Pergament glatt. Noch war es leer, doch innerhalb der nächsten Stunden und Tage würde es sich füllen. Die Fragen, die der Inquisitor der Angeklagten stellte, wurden ebenso festgehalten wie ihre Antworten. Jede Einzelheit des Verhörs bis hin zu den Reaktionen der Angeklagten musste protokolliert werden. So lauteten die Vorschriften der heiligen Inquisition. Bei Marias Mutter hatte Stefano Carlos mehrmals bitten müssen, ihm weitere Bogen Pergament zu bringen.
    Stefano atmete tief ein und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. Natürlich versah er diese Aufgabe ebenso gewissenhaft, wie er eine Messe zelebrierte oder seine Gebete sprach, aber er konnte nicht behaupten, dass er sie ebenso liebte. Es war ihm eine zutiefst unangenehme Pflicht, die er gern an einen anderen abgetreten hätte. Er versuchte zwar seine Anwesenheit im Kerker und das Schreiben dieser Protokolle als Opfer zu sehen, das er dem Herrn Jesus Christus darbringen konnte, und doch waren die Schreie der Verzweiflung, der Angst und des Schmerzes oft nur schwer zu ertragen. Und er wusste jetzt schon, dass es an diesem Tag besonders arg werden würde. Er empfand es immer als sehr schlimm, wenn junge Menschen, speziell junge Mädchen, angeklagt wurden. Er seufzte. Im Gegensatz zu ihm schienen Pedro und Carlos ihre Tätigkeit stets mit gleichbleibender stumpfsinniger Teilnahmslosigkeit zu verrichten. Manchmal beneidete er sie regelrecht darum.
    Stefano wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn und warf Pater Giacomo einen verstohlenen Blick zu. Sein Mentor saß ruhig und gelassen auf dem hohen Lehnstuhl, beide Hände locker auf die Armlehnen gelegt. Er hatte die Augen geschlossen, als ob er schliefe, doch Stefano wusste, dass es ein letzter Moment der Sammlung war, bevor er sich einem Angeklagten entgegenstellte. Stefano bewunderte Pater Giacomo für seine Willensstärke. Oft genug hatte er selbst einem Angeklagten seine Unschuld geglaubt, doch Pater Giacomo ließ sich nicht täuschen. Ganz gleich, wie sehr ein Angeklagter auch bitten und flehen mochte, er ließ sich nicht erweichen. Und bisher hatte er damit stets Recht behalten. Früher oder später hatten sie alle ihre Schuld eingestanden.
    Die Tür öffnete sich, und die Angeklagte wurde hereingeführt. Zwischen den beiden breitschultrigen Dienern sah das Mädchen besonders schwach und zerbrechlich aus, als wäre es aus Glas. Ihre Wangen waren schmal und blass und von zotteligen langen schwarzen Haaren umrahmt. Voller Angst und Entsetzen huschten ihre großen dunklen Augen durch den Raum. Fast fünf Wochen hatte sie allein in einer kleinen stickigen Zelle bei Wasser und Brot verbracht. Trotzdem hatte die Gefangenschaft ihre Schönheit nicht wirklich zerstören können. Sie war anmutig wie ein kleines Reh. Und so jung. Stefano schluckte und zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden und sich auf das Schreibpult zu konzentrieren. Er nahm die Feder in die Hand und tauchte sie in die Tinte. Hoffentlich würde sie schnell ein Geständnis ablegen.
    »Wie ist dein Name?«, fragte Pater Giacomo. Seine Stimme klang hart, kalt und unnachgiebig. Kaum zu glauben, dass derselbe Mann so sanfte Worte des Trostes und der
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