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Die Feenflöte

Die Feenflöte

Titel: Die Feenflöte
Autoren: Gerhard Rose
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vergangen, seit wir uns in London bei seinem großartigen Konzert zuletzt sahen."
    "Erzähl' mir noch mal von dem Konzert, Merlane. Ich weiß, du hast es mir schon oft erzählt. Trotzdem."
    Meine Gedanken wanderten zurück zu jenem Abend. Damals war ich tief beeindruckt gewesen, und genau dies hatte ich Gwyllynn immer wieder vermittelt, wenn ich darüber sprach. Meine eigene Begeisterung hatte sich auf sie übertragen und ihr Interesse nur noch mehr gesteigert.
    "Also gut," sagte ich mit einem angedeuteten Seufzer, "heute aber nur in der kurzen Fassung. Die vorherigen Ereignisse mit der Flöte und dem
Tor der Musik
kennst du. Ich war aufgeregt, als ich abends ins Barbican Centre kam. In den Jahren zuvor, als ich auf der Suche nach dem Buch war und die Menschenwelt studierte, hatte ich zwar allerhand ausprobiert und manches gesehen, aber auf einem klassischen Konzert mit einem berühmten Orchester war ich noch nie gewesen. Das ist eine ganz eigene Stimmung vor einem Konzert. Du mußt es selbst einmal ausprobieren. Viele Menschen sind da, man unterhält sich, aber es ist nicht so laut wie andernorts, man spürt die freudige Erwartung von Leuten, die Musik mögen, man sieht sehr unterschiedliche Menschen nahezu jeden Alters. Ein guter Ort um sie zu beobachten und zu studieren. Die meisten gehen zwar wegen der Musik ins Konzert, aber einige haben offenkundig andere Gründe. Manche wollen gesehen werden, manche nutzen es als Vorwand, um Kontakte knüpfen zu können, manche protzen mit Kleidung oder Schmuck, oder mit allerhand Erzählungen, zum Beispiel wo sie schon überall auf Konzerten waren. Du wirst dich bei deinem ersten Besuch auch noch über mancherlei wundern. Kurzum, es war hochinteressant.
    Nach und nach gingen die Leute in den Konzertsaal. Der Platz, den mir die Künstleragentur verschafft hatte, war wohl einer von denen für Journalisten, die über solche Veranstaltungen schreiben. Rechts und links von mir saßen Leute von verschiedenen Zeitungen, und ich hörte ihnen aufmerksam zu. Die müßtest du mal reden hören! Es hat mich sehr erstaunt, welche seltsamen, befremdlichen und weit hergeholten Worte und Beschreibungen die verwenden. Keiner Fee würde je einfallen, so über Musik oder Künstler zu sprechen oder zu schreiben. Einerseits sind sie ausgesprochen sensibel, verfügen über ein feines ästhetisches Gespür, andererseits haben sie keine Bedenken, einen Künstler oder ein Konzert auf Grund ihrer ganz persönlichen Art der Wahrnehmung irgendwelcher Details mit giftigen Worten in einem Zeitungsartikel zu verreißen. Eigenartig, wie so vieles bei den Menschen. Über Sean Dennehy allerdings waren sie sich ziemlich einig. Sein Können und sein Ruf als weltbester Flötist sind unangefochten.
    Das wissen offensichtlich die normalen Konzertbesucher ebenso gut, und so empfingen sie Sean schon mit rauschendem Beifall, als er die Bühne betrat. Er liebt es, sich unkonventionell zu kleiden, auch bei seinen Auftritten. Damals trug er eine Art Phantasieuniform mit einem lang geschnittenen Rock, ganz in weiß, mit dezenten goldenen Knöpfen.
    Das erste Stück war ein Flötenkonzert von Vivaldi, das zweite eine Sonate von Jean Marie Leclair, gefolgt von Mozarts Flötenkonzert Nr. 1. Der stürmische Beifall nach jedem Stück drückte die Begeisterung aus, die er mit seinem Spiel hervorrief. Zu dieser Zeit hatte ich mich noch nicht mit dem Inhalt des
Tor der Musik
befaßt, ich hatte es bis dahin nicht einmal selbst gesehen, und trotzdem spürte ich etwas davon in Seans Flötenspiel. Mit dem, was er aus dem Buch entnommen hatte, hatte er sein Können zur Vollkommenheit gebracht. Es war und ist ein Genuß, ihm zuzuhören.
    So sehr ich den zweiten Teil nach der Pause genoß, den er mit Carl Heinrich Reineckes Flötensonate namens 'Undine' beendete, so sehr wartete ich auf die Zugabe, von der er gesprochen hatte. Gwyllynn, ich sage dir, es war einzigartig! Er hat die Zuhörer mit den beiden Stücken in den tiefsten Tiefen ihrer Herzen erreicht. Glücklicherweise versteht er es, den Zauber der Musik so zu vollbringen, daß niemand das Wirken von Magie bemerkt. Die Menschen spüren sehr deutlich ungewohnt intensive Gefühle, sind verzückt, begeistert, manchmal auch tief traurig, und können das alles ausnahmsweise ganz ungezwungen geschehen lassen. Sie ahnen nicht einmal, daß diesem musikalischen Können ganz viel tiefes und systematisches magisches Wissen zu Grunde liegt, welches gezielt eingesetzt wird.
    Man kann
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