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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Jane Borodale
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Eingeweide stürzen heraus. Wir sehen alle zu, als er das Herz herauszieht. Es ist fächerförmig mit gelbem Fett marmoriert, wie Adern auf einem Blatt.
    Dann hängt er die Sau an den Hinterläufen im Schuppen auf. Zwei Tage lang wird sie dort hängen, bis ihr Fleisch fest geworden ist.
    Man spürt ihre Gegenwart überall. Ihr Gewicht zerrt an den Haken zwischen den Sehnen und den Knöcheln. Der Kopf hängt direkt unter der Wirbelsäule, obwohl die Kehle durchtrennt ist. Eine rosa Flüssigkeit läuft die Schnauze hinunter und tropft in einen Topf auf dem Boden.
    Als ich in den Schuppen gehe, um Seife für die Wäsche zu holen, scheucht William die Katzen von dem Kübel mit den Innereien weg, die wir noch nicht gegessen haben. Er hebt einen Zweig auf und stochert damit in dem Kübel herum.
    »Was ist das?«, fragt er. Ich sehe hin und erkläre ihm, es sei der Magen.
    »Der glitschige Magen, der glitschige Magen, sollen wir ihn kitzeln, sollen wir?«, sagt er, kreischt entsetzt auf wegen seines eigenen Scherzes und läuft weg.
    Ich übernehme den Platz am Webstuhl.
    Das Weben ist eine schweigsame Sache und kompliziert. Nur wenige Gedanken ziehen gleichmäßig durch meinen Kopf, während meine Hände ihre Tätigkeit mit dem Schiffchen und den Fäden verrichten, wie ein Pferd, das einem vertrauten Weg folgt, ohne darauf zu achten oder gelenkt zu werden. Wenn meine Hände auf diese Weise beschäftigt sind, kommen mir nicht jene belastenden Gedanken, die mich peinigen. Aber sobald der Webstuhl stillsteht und verstummt, kehrt die Panik zurück und taucht meinen Kopf in eine Art Dunkelheit, als hätte ein scharfer Luftzug die Kerzen in einem Haus ausgelöscht und Raum für Furcht zurückgelassen. Ich erreiche diesen Punkt früh am Tag, wenn ich eine Stunde am Webstuhl gesessen habe.
    »Agnes!«, ruft meine Mutter plötzlich ins Hinterzimmer, und ich fahre erschrocken hoch. »Uns fehlt noch eine Bratpfanne!«
    Also verlasse ich das Haus, um die Pfanne zu holen. In meinen Ohren dröhnt die Stille meiner unterbrochenen Arbeit, als ich mich auf den Weg mache, wie man mir aufgetragen hat. Die Stimme meiner Mutter, die Lil beim Zubereiten des Eintopfs Anweisungen gibt, wird leiser, während ich weitergehe, und verklingt schließlich ganz. Die Sonne scheint, und die Spatzen huschen und schwirren zwischen den Hecken hin und her.
    Mrs. Mellin ist unsere nächste Nachbarin. Ihr Haus liegt in der entgegengesetzten Richtung zum Dorf an dem schlammigen weißen Weg, der zum Kalksteinbruch führt. Seit ihr Sohn vor drei Jahren in einem Hafen an der Küste zwangsrekrutiert worden ist, lebt sie allein und zurückgezogen. Es heißt, er habe sich entweder zu Tode gesoffen oder sei in einer Schlägerei gestorben. Ihr Mann ist schon so lange tot, wie wir uns erinnern können. Er starb an einem Sonntag, und Mutter sagte, er sei ein rücksichtsloser Mann gewesen, der seiner Frau kaum etwas hinterlassen habe außer schlechten Angewohnheiten.
    Es ist ein schöner Tag, und vielleicht wird der Winter trotz all unserer Schwierigkeiten doch nicht so schlimm. Über den Höhenrücken der Downs ist der Himmel blau, und die Sonne malt durch die Bäume zitternde, leuchtende Flecken auf den Weg vor mir. Doch sie wird jetzt immer schwächer. Jeden Tag steht sie tiefer am Himmel und hat kaum noch Kraft, den Boden zu erwärmen. Meine Füße bewegen sich im Schatten.
    Mrs. Mellins Cottage liegt direkt an der Böschung, und die Büsche am Steilhang drohen es zu verschlucken. Ich rufe laut ihren Namen und höre ihre Hühner neben dem Haus gackern. Die Vordertür ist geschlossen. Ich ziehe den Riegel hoch, stoße sie auf und trete gebückt in die kühle Stube. Eine braune Katze jagt hinaus.
    »Hallo!«, rufe ich. »Guten Tag, Mrs. Mellin!«
    Mrs. Mellin ist schwerhörig und antwortet auch nicht auf meinen Gruß, als ich mit den Töpfen klappere und eine Bratpfanne auswähle. Die Töpfe rasseln laut und hohl auf dem abgenutzten Backsteinboden, als ich sie wieder an ihrem gewohnten Platz hinter dem schmutzigen Vorhang im Regal verstaue. Ich gehe in die Küche, wo Mrs. Mellin sich immer aufhält. Sie sitzt mit dem Rücken zu mir vor dem eiskalten Herd.
    »Oh!«, sage ich besorgt. »Warum ist das Feuer aus, Mrs. Mellin?«
    Ich bin erschüttert. Mrs. Mellin sitzt tot in ihrem Sessel. Ihre violette Zunge hängt ihr aus dem Mund, und ihre Augen sind nach oben verdreht. Ein Arm hängt schlaff über den Rand des Sessels herunter. Auf dem Fußboden liegt ein kleines
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