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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Jane Borodale
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der zugeschnürten Brust rasen lässt. Alles ist so schwierig, dass mein Kopf leicht ist. Stundenlang liege ich in der Dunkelheit bewegungslos im Bett und versuche, die Dinge mit der Kraft der Gedanken zu ändern. Es ist ein Irrtum. Es war nicht meine Schuld, denke ich. Doch es war alles meine Schuld, und mein Irrtum ist zu Fleisch geworden, das in mir heranwächst. Vielleicht werde ich bei der Geburt sterben, und sie müssen mir verzeihen, wenn sie um den Sarg herumstehen, den sie sich nie leisten könnten, während ich auf dem St. Mary’s Friedhof in der Erde versenkt werde.
    Wie dunkel es ist, wenn ich zu schlafen versuche. Es ist, als würde ich die Nacht selbst einatmen, nicht nur die Luft, sondern auch das Gefühl und den Geruch der Dunkelheit. Jede Nacht lausche ich dem unbeschwerten Atmen meiner Schwestern neben mir, bis ich vor Müdigkeit doch einschlafe. Am Schlachttag müssen wir vor Sonnenaufgang aufstehen, weil es um diese Zeit des Jahres so spät hell wird.
    Wir werden Mrs. Mellins Töpfe einen nach dem anderen auskochen. Mein Vater und mein Onkel werden sich mit ihrem ganzen Gewicht auf das Schwein knien, damit sie ihm das Messer in die Kehle stoßen können. Es fällt mir schwer, nicht davonzulaufen. Ich erinnere mich daran, dass ich in einem Jahr weggerannt bin, hinaus auf den Fahrweg, um den Geräuschen zu entkommen. Das Schwein brüllte und brüllte in einem ohrenbetäubenden Todeskampf, während es in seinem Grauen festgehalten wurde, es scharrte mit den Hinterläufen und quiekte die letzten Tropfen seines Schreckens heraus, selbst noch, als das Messer hineinfuhr. Dann ging das Quieken in ein Gurgeln über und verstummte. Die Stille war ein Schock. In der Leere, die folgte, presste ich draußen auf dem Fahrweg meine Ellbogen eng an meinen Körper. Auf der anderen Seite des Wäldchens klopfte ein Specht Löcher in die Stille. Meine Füße klatschten laut auf dem matschigen Pfad, als ich hastig zurückrannte, bevor jemandem auffiel, dass ich nicht da war. In diesem Jahr ist das Schwein kleiner. Es ist eine Sau mit einem schwarzen Fleck hinten am Kopf. Ihre Augen sind sehr klein, als wollte sie zwar genug Licht hineinfallen lassen, aber nichts durch ihre steifen, farblosen Wimpern preisgeben.
    Ich werde den Topf halten, um den leuchtenden Schwall von Blut aufzufangen, der purpurrot aus der Wunde strömen wird. Dampf wird aufsteigen, wenn das warme Blut in den kalten Steingutkübel fließt. Es wird langsam dicker, kühler und dunkler werden, während ich rühre und rühre, Fäden und geronnene Klümpchen heraussammle und die gekochte Gerste hineinschütte, um Blutwurst zu machen. Später werden wir kochendes Wasser über die Haut des Schweines gießen und abwechselnd mit einer Kerzenflamme gegen die Wuchsrichtung nah über die Borsten fahren, um sie abzuflämmen, ohne die Haut zu beschädigen. Das riecht immer seltsam. Saatkrähen und andere aasfressende Vögel treiben sich im Obstgarten herum. William scheucht sie fort, indem er mit seinen kurzen Beinen hinläuft und den Besen, der fast so groß ist wie er selbst, über seinem Kopf schwingt. Schwerfällig erheben sich die Vögel und kreisen um den Schornstein, die schwarzen Flügel ausgebreitet wie Lederhandschuhe. Lil sagt, es sei die Art von Vögeln, die einem Albträume machen.
    Sie weiß nichts über das Gefühl in meinem Bauch, keiner von ihnen weiß es.
    * * *
    Vor zwei Monaten, nachdem die letzten Bohnen geerntet waren, hat der Spätsommer begonnen und wieder ein bisschen Wärme gebracht. Diese letzte, kurze Ernte war eine gute, alle früheren Ernten hatte der Schimmel vernichtet, weil es im Juni und Juli so feuchtkalt und regnerisch gewesen war. Unsere Haare dufteten in dem späten Sonnenschein, als wir die Hülsen mit den Fingernägeln öffneten, bis unsere Hände grün waren. Wir breiteten die zarten Bohnen auf Matten aus, um sie zu trocknen. Unsere Hände rochen nach zerdrückten Blättern. Für September war es warm, fast wie zu Sommeranfang. Wir ruhten uns am Rande des Feldes an der Böschung aus. Ich erinnere mich, dass Anns Schatten auf mein Gesicht fiel, als sie aufstand, um die leeren Eimer zurückzubringen. Die letzten Tropfen des Mittagsbieres waren ausgetrunken, und meine Mutter war zum Haus zurückgegangen, wo die Webarbeit eine Woche im Rückstand war – dicke Stränge von ungewebtem Garn türmten sich neben dem Webstuhl auf. Es gab so viel zu tun, ich kann wirklich nicht sagen, warum ich an jenem Nachmittag so faul war.
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