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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Jane Borodale
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unförmig auf die Uferböschung.
    »Wird nicht so bleiben«, sagt er und blickt mühsam zum Himmel hinauf. Er bleibt stehen, um zu verschnaufen. Dann legt er den Kopf in den Nacken, so gut es geht, und schaut nach Osten über den Buchenwald zu den Hügeln. »Ein dicker Nebel rollt vom Meer heran und drückt über die Hügel hier unten hinein«, wispert er mit dünner Stimme. »Bestimmt werden wir fast daran ersticken«, fügt er mit düsterem Behagen hinzu, »noch bevor die Nacht sich über uns gelegt hat.« Er hat eine seltsame Art zu reden. Seine Augen sind stechend, und er mustert mich von oben bis unten, meine Gestalt, meine Hände, die Bratpfanne. Er versperrt mir den Weg. Ich ziehe mein Schultertuch enger um mich und frage, was er in seinem Bündel habe. Es ist mit Stoffstreifen zusammengebunden und über und über vom Straßenstaub beschmutzt.
    »Waren«, lautet die rätselhafte Antwort. »Einkäufe und Verkäufe.« Der Mann blickt hinunter auf den Weg, geht an mir vorbei und verschwindet hinter der Biegung. Doch der Gedanke an ihn wächst in meinem Kopf wie ein Geschwür, während ich weitergehe. Ich sehe, dass mein Schatten vor mir schon verblasst und dass die tiefen Fußabdrücke des Mannes auf dem ganzen Weg zum Haus im Schlamm zu erkennen sind. Klumpen von überreifen Brombeeren verfaulen in der Hecke, und der Sog eines lehmigen Geruchs nach Fäulnis und Pilzen hängt in der Luft.
    * * *
    Im Haus sehe ich, dass meine Mutter das Schwein abgenommen und sich damit abgemüht hat, es auf den Tisch zu heben. Es liegt schwer auf der Seite, und der Speck zittert, wenn William am Tisch rüttelt. »Mutter ist böse. Sie schreit«, flüstert er mir in klagendem Ton zu. Ich berühre sein hochgerecktes Gesicht und bedeute ihm mit einem Zwinkern, in der Küche zu bleiben und das Schwein vor den Hunden und den Ratten zu beschützen. Meine Mutter gießt den Inhalt des heißen Kessels über ein Brett. Sie sieht nicht von ihrer Dampfwolke auf.
    »Und, konnte sie die Pfanne entbehren und war auch nicht böse, weil wir darum gebeten haben?«, fragt sie. Der starke Geruch nach überbrühtem Holz erfüllt den Raum.
    »Warum hast du nicht gewartet, bis die Männer das Schwein abgenommen haben, Mutter?«, frage ich. Ich wünschte, sie würde mich ansehen. Wie sehr würde ich mir wünschen, dass ich sie bitten könnte, jetzt hochzuschauen und mich anzusehen, damit sie merkte, wie schrecklich alles ist. Ich stehe dort und zähle im Stillen bis vier.
    »Oh, ich muss vorankommen, Agnes«, erwidert sie und hängt den Kessel ungestüm wieder an den schwarzen Haken über dem Feuer. Der Haken wackelt unter dem Gewicht. »Die Pfanne!« Sie streckt die Hand aus. »Dein Vater kommt nicht vor Mittag zurück, so wie ich ihn kenne.« Ihre Stimme klingt tonlos und angespannt. »Nein, Hester!«, ruft sie plötzlich. »Stell das wieder hin!« Hastig strecke ich die Hand aus und nehme der Kleinen eine Schale ab, bevor sie sie auf den Boden fallen lässt.
    Meine Mutter setzt sich und fährt sich mit dem Ärmel über die Stirn. Ich sehe, dass ihr Gesicht lang, grau und müde ist, und die Unruhe in mir windet sich wie ein Wurm. Wie soll sie zurechtkommen, wenn ich nicht hier bin, um ihr zu helfen? Aber natürlich ist aus dem Hinterzimmer der Lärm des Webstuhls zu hören, an dem Lil arbeitet – ein regelmäßiges zischendes Geräusch und ein Klappern wie ein mechanisches Atmen.
    »Wo ist Vater?«, frage ich.
    »Was glaubst du wohl, Ag?«, erwidert sie knapp.
    Hester krabbelt auf mich zu und keucht vor Anstrengung. Ihr Kinderkittelchen schleift auf dem Boden durch den Dreck, als sie sich auf den Knien über den Boden schiebt, der gefegt werden müsste. Ich warte wieder darauf, dass meine Mutter mich fragt, warum mein Botengang so lange gedauert hat, aber sie tut es nicht. Ich blinzele und wende mich ab. Vielleicht muss das Feuer geschürt werden. Ich beuge mich über den Herd und schiebe die Holzscheite dichter zusammen, um die Hitze anzufachen. Ich wünschte, das Blut würde mir nicht so schnell ins Gesicht schießen. Ich fange an, fröhlich über Mrs. Mellins Pfanne zu reden.
    »Es hat ihr nicht gepasst, der alten Hexe, aber ich habe ihr ein bisschen Fleisch versprochen, wenn es fertig gepökelt ist«, erkläre ich leichthin. Es ist meine erste Lüge solchen Ausmaßes, und sie kommt mir mit einer Leichtigkeit über die Lippen, die mir gar nicht gefällt. Die umsorgten Flammen schlagen höher, und Funken sprühen aus dem Holz.
    * * *
    Stiefel
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