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Die Farben der Wirklichkeit

Die Farben der Wirklichkeit

Titel: Die Farben der Wirklichkeit
Autoren: Körner
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möglich, noch mehr.“ Weil das Wort „Nimm“ das am meisten gebrauchte Wort war, kam ’Nim‘ wohl auch zu seinem Namen.
    Auch Eva, Shulamith und Lilith wollten sich, ganz im Sinne ihrer Erziehung, etwas nehmen: nämlich die Verwirklichung ihres Traumes. Aber sie wollten dafür ihr gesichertes Leben in ’Nim’ geben — und das konnte dort niemand verstehen.
    Die drei Mädchen ließen sich allerdings nicht beirren, nahmen sich ein Boot und Vorräte und machten sich auf den Weg über das Meer nach ’Gib’. Das sollte noch Folgen haben.
    Da ’Nim’ und ’Gib’ ein wenig Handel miteinander trieben, wußten Eva, Shulamith und Lilith wenigstens ein bißchen über ’Gib’. Es war allgemein bekannt, daß dort in der Hauptsache verrückte Spinner leben, die kein Eigentum kannten und sogar Freude daran haben sollten, mit anderen zu teilen und möglichst oft anderen etwas zu geben. Deshalb waren die Mädchen sehr gespannt auf ’Gib’, denn ein solches Leben konnten sie sich einfach nicht vorstellen.
    Als sie schon nach wenigen lägen dort eintrafen, wurden sie herzlich empfangen. Man gab ihnen Fassen und Trinken, trockene Kleider und ein Dach über dem Kopf. Immer w 7 ar jemand für sie da, aufmerksam und bereit, ihnen zu helfen oder ihnen zu geben, was sie brauchten.
    Schon bald merkten die Mädchen, daß die Gerüchte über ’Gib’ der Wahrheit entsprachen. Die Menschen dort kannten wirklich kein Eigentum und bemühten sich ständig, anderen zu Diensten zu sein, ihnen zu helfen oder etwas von sich zu geben. Das Leben, wie es in ’Nim’ geführt wurde, war den ’Gib‘-Menschen ein Rätsel, und sie hielten bei aller Freundlichkeit die ’Nim‘-Menschen ganz einfach für Trottel. Und mit allem Eifer begannen sie, unsere drei Mädchen zum wahren Leben zu bekehren.
    Fis muß zugegeben werden, daß Eva, Shulamith und Lilith zunächst sehr angetan w 7 aren von ’Gib’ und seinen Menschen. Noch nie waren ihnen andere so aufopfernd liebevoll begegnet, hatten sich so ausgiebig um sie gekümmert und versucht, ihnen bei jeder passenden und manchmal unpassenden Gelegenheit etwas von sich zu geben. Aber nach der ersten Begeisterung merkten die Mädchen bald, daß auch die Menschen in ‘Gib’, ähnlich wie in ihrer Heimat ’Nim’, zwar auf den ersten Blick ganz zufrieden, aber schon auf den zweiten Blick im Grunde doch nicht glücklich waren. Mit der Zeit ging ihnen das Gehabe der ’Gib’-Menschen ganz schön auf die Nerven. Schließlich spürten sie schon bald, daß zwar jeder ihnen etwas geben wollte und sei es er selbst, aber daß es gar nicht gern gesehen wurde, wenn sie einfach etwas nahmen, auch wenn sie es sowieso angeboten bekommen hätten. Es wurde natürlich auch von ihnen erwartet, daß sie immer etwas geben sollten. Aber damit kamen sie überhaupt nicht zurecht; sie hatten es ja nie gelernt. So beschlossen sie bald, wieder aufzubrechen und nach ’Sei“ zu suchen. Auch in ‘Gib’ stießen sie mit ihrem Vorhaben nur auf Kopfschütteln und Unverständnis. Niemand konnte begreifen, daß jemand ‘Gib’ wieder verlassen kann, wo man hier doch von allen alles gegeben bekam, was man nur wollte. Und so gaben die Mädchen auch etwas, nämlich sich selbst die Freiheit, ihre Träume zu verwirklichen. Über dieses Ereignis wurde noch lange in ‘Gib’ diskutiert. Daß man auch sich selbst etwas geben kann, war für diesen Kontinent eine geradezu revolutionäre Entdeckung, die noch Folgen haben sollte.
    Zum Abschied erhielten die Mädchen trotzdem ein Boot, Vorräte für viele Wochen und die besten Wünsche für die Reise. Obwohl auch in ‘Gib’ das Märchen von ’Sei“ bekannt war, glaubte niemand daran, daß die Mädchen dieses Märchenland finden könnten. Jeder glaubte, daß sie nach einigen Wochen unverrichteter Dinge wieder zurückkehren würden, vorausgesetzt, sie würden nicht an den großen Wasserfall am Rande der  Welt geraten.
    Mit klopfenden Herzen und ein wenig zitternden Knien machten sich Eva, Shulamith und Lilith auf den Weg, den legendären Kontinent ’Sei“ zu suchen — und ob man es glaubt oder nicht, sie fanden ihn. Eines Tages ragte vor ihnen eine große, dicht bewachsene Insel aus dem Meer, die größer und größer wurde, je näher sie ihr kamen. Schließlich gab es keinen Zweifel mehr daran, daß dies der sagenhafte Kontinent ’Sei“ sein mußte.
    Zunächst fanden sie keine Menschen. Mutig wanderten sie ins Innere des Landes und fanden endlich, als sie schon nahe daran
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