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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition)
Autoren: Sarah Pinborough
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war Ramsey. »Wir müssen reden.«
    »Wir müssen los, Abigail. Sofort.« Sie hatten keine Zeit mehr. Wenn er jetzt nicht flüchtete, war alles vorbei. Er streckte die Hände aus, um sie zu packen und hochzuziehen. Sie hob den Blick.
    »Jesus!« Cass schreckte zurück, als hätte sie ihn ins Gesicht geschlagen.
    Aus ihren Ohren kam Blut, das ihre strähnigen Haare rot färbte, doch beim Anblick ihrer Augen blieb er wie angewurzelt stehen. Da war nichts Weißes mehr, auch nicht Iris oder Pupille, nur Seen aus Farbe und Schwarz, die ineinanderliefen. Es war, als würde er tief ins Weltall blicken. Er sah alles und nichts.
    »Ich habe ihn getäuscht«, flüsterte sie. »Ich habe die harte Spiegelung dortgelassen.« Silberne Tränen liefen aus ihren verletzten Augen. Noch mehr Stimmen – die die Luft im Erdgeschoss für rein erklärten.
    »Geben Sie mir die Pistole«, schnauzte sie ihn an. »Bitte. Ich bin zerrissen und in die Welträume … o Gott, die Welträume …«
    »Was wollen Sie tun?«, fragte Cass. Er glaubte die Antwort zu kennen. Abigail Porter lag im Sterben – was auch immer in ihrem Körper vorging, sie hatte es zu weit getrieben, um zu überleben. Wässriges Rot lief in den Schweiß ihrer Kopfhaut. Verblutete sie? Als er Schritte auf der hinteren Treppe hörte, schaute er dorthin. Er hatte keine Zeit mehr zu schwächeln. Abigail Porter hatte ihr Schicksal under hatte seins. Cass wollte verdammt sein, wenn er zuließ, dass alles hier endete. Er entsicherte die Pistole und drückte sie ihr in die feuchtkalte Hand. Dann drehte er sich um und lief zu der zweiten Treppe. Er schaute nicht zurück. Er wollte nicht noch mal in diese Augen sehen. Sonst würde er noch selbst in diese Hölle hinabgezogen, in der ihr Verstand weilte.
    Er war schon auf halbem Weg ins Erdgeschoss, als der erste Schuss die feuchte Luft zerriss.
    » Mist! «
    »Runter mit der Pistole!«
    Cass drängte weiter. Wieder hörte er Schüsse und Schreie, und als er gerade unten ankam, fiel noch eine letzte Antwort, bevor es entsetzlich still wurde. Sein Atem rauschte in den Ohren und er schwitzte trotz der Kälte. Abigail hatte ihm einen kleinen zeitlichen Vorsprung verschafft, doch was sollte er damit anfangen? Sein Wagen stand auf der anderen Seite des Rohbaus, wo sicher auch Fletcher und Ramsey geparkt hatten – dort konnte er auf keinen Fall hin. Am besten ging er zur Oxford Street und versuchte in der Menge unterzutauchen. Eine winzige Chance, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Er zwang sich zu einem Sprint, ignorierte den Schmerz in den untrainierten Muskeln und verließ sich darauf, dass das Adrenalin ihn auf den Beinen hielt. Er würde nicht erwischt werden. Sie würden ihn nicht kriegen.
    »Cass, stopp!« Das war Fletchers Stimme, deren körperlose Form ihn über den schlammigen Weg jagte, und ohne langsamer zu werden, schaute Cass sich um. Der Leiter der ATD verfolgte ihn mit erhobener Pistole.
    »Ich meine es ernst, Cass. Bleiben Sie stehen oder ich schieße!«
    Trotz seiner vor Schmerzen brennenden Beine hätteCass am liebsten gelacht – hysterisch natürlich, und dennoch. Bleiben Sie stehen oder ich schieße . In all den Jahren bei der Polizei hatte er dieses Klischee noch nie gehört. Er taumelte.
    »Scheiße.« Er hörte Fletcher fluchen. Er war stehen geblieben, und das konnte nur eins bedeuten. Mit klopfendem Herzen lief Cass im Zickzack, die Augen halb geschlossen, während er auf die Kugel wartete. Er würde es nicht schaffen. Er sollte einfach aufgeben. Er würde es nicht schaffen. Und doch liefen seine Beine immer weiter.
    Dann passierten zwei Dinge auf einmal. Erst hielt direkt vor ihm ein Auto mit kreischenden Bremsen und die Tür zur Rückbank flog auf. Gleichzeitig hatte Cass das Gefühl, jemand hätte ihm fest auf die rechte Schulter geschlagen.
    »Einsteigen!«, schrie eine Frau vom Fahrersitz. Eine Stimme wie Honig, dachte Cass, als sich sein Körper leicht drehte. Er stolperte, in seinen Ohren einen Donnerhall. Kein Donner, ein Schuss. Als er sich unbeholfen aufrichtete, rechts mit schwerer Schlagseite, sah er aus den Augenwinkeln, wie Fletcher zum zweiten Mal auf ihn zielte. Hinter ihm tauchten in einiger Entfernung Ramsey und Armstrong auf. Sie schrien etwas, was Cass nicht verstehen konnte. Hoffentlich »Nicht schießen!«, verdammt noch mal.
    »Schnell!«, schrie die Frau wieder, und wenn Cass genug Puste gehabt hätte, hätte er zurückgeschrien: »Was glauben Sie, was ich hier mache?« Stattdessen
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