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Die falsche Herrin

Die falsche Herrin

Titel: Die falsche Herrin
Autoren: Margrit Schriber
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Ehrwürdigen Frau Mutter des Klosters abliefern. Dort soll die Tochter sich besinnen. Im Gebet, in Buße und Andacht.
    Auch dort sei sie nicht zur Räson gekommen.
    Schluchzend habe sie das Herrenhaus verlassen, schluchzend sei sie aus dem Kloster zurückgekehrt.
    Der Herr Richter gab Anweisung, die Kisten für Merveys zu packen.
     
     
    Mademoiselle hält derweil im Südwesten das Château mit ihren Einfällen in Atem, so dass die Bewohner vergessen, was sie sie in der Angelegenheit Schwyz noch fragen wollten. Jeden Tag fällt ihr eine neue Sache ein, die zu klären und zu lösen ist. Zum Beispiel an welchem Punkt der Cassini-Karte man auf die Chaise des Herrn Papa treffen könne. Wie das Wetter sei in Versailles. Ob man einen Pelz brauche. Wo man logieren werde. Wo sich auf dem Reiseweg verpflegen.
    «Wir lassen die Köchin nachreiten.»
    «Bon Dieu! Gibt es ein Ross, das nicht unter dem Gewicht von Babette zusammenbricht?»
    «Dann lassen wir nur Clémence und eine Zofe nachreiten.»
    Da die Ernte abgeschlossen ist und der Wein im Keller, steht der Reise nichts mehr im Weg. Aber die Geldmittel sind knapp geworden. Allein die Rechnungen für den Schneider! Nicht zu reden vom Putz. Der Sieur von Montlau ist entschlossen, die Schuld noch vor der Abreise einzutreiben. Er schreibt an Reding in Schwyz. Leider sehe er keine andere Möglichkeit, der Herr möge verzeihen. Die Liste der Ausgaben umfasst drei Seiten. Gezeichnet: Sieur von Montlau, Connétable von Bordeaux.
    «Es muss alles seine Ordnung haben.»
    Die Bitzenin begreift. Diese Ordnung wird sie an den Galgen bringen. Die Zeit auf Montlau geht ihrem Ende zu.
    Sie begehrt, der Depesche einen Gruß an Papa mitzugeben. Sie will ihn bitten, eine Extrasumme draufzulegen. Man war hier überaus großzügig zu ihr. «Très généreux.»
    Madame schleicht auf Zehenspitzen durchs Arbeitszimmer und tauscht vorwurfsvolle Blicke mit ihrem Mann. Was muss nun ihr Vater von uns denken! Dass wir arme Schlucker sind?
    Lächelnd nimmt Demoiselle Reding die Schreibfeder entgegen, tunkt den Kiel in die Tinte und zeichnet eine Reihe Windungen und Unterlängen und Spitzen. Nach vielen Linien solcher Zeichen setzt sie seufzend einen wunderbaren und von weither geholten Punkt.
    Die Bitzenin habe jede Möglichkeit einer geborenen Reding ausgeschöpft. Nichts hat sie ausgelassen. Während ihr Vorbild in Schwyz ein paar verblasste Blümchen aus den Büchern schüttelt, die der wissenshungrige Chinareisende jetzt ohnehin nie lesen wird. Sie lässt sich schröpfen. Stundenlang sitzt sie weinend im Bottich und schrubbt sich mit der Bürste die Haut ab, weil sie durch die Berührung eines Unberührbaren unrein wurde. Mit Mottenpulver bestäubt sie ihr besticktes Linnen und packt Stück um Stück des gravierten Silbers in eine Truhe.
    Sie welkt dahin. Während ihre Imitation aufblüht, starrt die Redingin in eine Ecke. Es heißt, sie überlege, wie sie den Schatz in ihrer Truhe zu guter Letzt doch noch in eine Ehe hieven könnte. Und welcher Mann von Geblüt dafür in Frage käme.
    Sie muss sich beeilen. Sie wird von Sonntag zu Sonntag magerer. Sie schlurft mit ihrem schönen Kleid achtlos durch den Dreck, schleicht durchs Kirchenschiff, dass einem bange wird. Dann hängt sie die ganze Messe über bleich und welk in der Chrützen. Ihr Haar rieselt ihr in Zotteln bis auf die Schultern. Sogar der Stoff des Beutels an ihrem Arm ist schlaff und verschossen. Als wäre auch er zerdrückt von der Last der Trauer, ermattet vom Herumpendeln zwischen all den Feinden, die im Herrenhaus zu separieren und aneinander vorbei zu lavieren sind. Eingefallen, ausgelaugt und erschöpft vom ewigen Schachspiel und von der geheuchelten Anteilnahme an Geschichten, die mit ihr nichts zu tun haben.
    Vergeblich späht sie zu jedem Dickicht und jeder Nische am Weg, wenn sie in der Chaise ausfährt. Da ist kein Mann. Nicht einmal der Schatten eines Mannes.
    «Sie weint, die Redingin», sagt der Knecht.
    «Mein Gebet wird nicht erhört», schreibt sie in einem Brief. «Beim Anblick der Berge zwischen ihm und mir, da kommen mir Tränen. Meine Tage sind ohne jeden Sinn.»
     
     
    In Schwyz eingetroffen, eilt Hauptmann Beeler unverzüglich zum Herrenhaus. Er überbringt Reding die Grüße seiner Tochter. Sie sei gut aufgehoben. Allseits beliebt und geachtet. Eine bezaubernde junge Frau.
    Reding möchte mehr darüber erfahren. Beeler schildert die Verhältnisse auf Montlau. Die Gastfreundschaft. Die angenehme Gesellschaft des
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