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Die falsche Geliebte (German Edition)

Die falsche Geliebte (German Edition)

Titel: Die falsche Geliebte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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im Dezember 1835 geheiratet und den Winter in Paris verbracht hatten. Dann waren sie 1836 in Italien, der Schweiz und Deutschland gereist. Als sie im November zurückkehrten, erhielt die Gräfin zum erstenmal in dem verflossenen Winter den Besuch dieses Kapitäns Paz (Pac), dessen Namen so gesprochen wird, wie er sich schreibt, und auf diese Weise bemerkte sie das gleichsam stumme, unsichtbare, aber heilsame Dasein dieses Faktotums, das sich persönlich nicht blicken ließ.
    »Herr Kapitän Paz bittet Frau Gräfin um Entschuldigung; er ist im Stall und in einem Anzuge, daß er sich augenblicklich nicht zeigen kann. Sobald er angekleidet ist, wird der Graf Paz erscheinen,« sagte der Diener.
    »Was tut er denn?«
    »Er zeigt, wie das Pferd der Frau Gräfin geputzt werden soll, weil Konstantin es nicht so putzte, wie er wollte,« antwortete der Diener.
    Die Gräfin blickte ihn an. Er machte ein ernstes Gesicht und hütete sich wohl, seine Worte mit jenem Lächeln zu begleiten, wie es Bediente tun, wenn sie von einem Höhergestellten reden, der sich zu ihrer Arbeit erniedrigt.
    »Ach, er putzt Cora?«
    »Reitet Frau Gräfin heute morgen nicht aus?« fragte der Diener und verschwand ohne Antwort.
    »Ist es ein Pole?« fragte Clementine ihren Gatten. Er nickte bejahend.
    Clementine Laginska blickte Adam stumm und prüfend an. Die Füße fast auf ein Kissen gestreckt, den Kopf in der Haltung eines Vogels, der am Rand seines Nestes dem Gezwitscher seiner Brut lauscht, wäre sie auch einem abgestumpften Manne entzückend erschienen. Blond und schmal, mit englischer Frisur, glich sie jenen gleichsam fabelhaften Gestalten der Keepsakes, besonders in ihrem seidenen Morgenkleid von persischem Schnitt, dessen dichte Falten die Reize ihres Körpers und die Schlankheit ihrer Taille nicht so sehr verhüllten, daß man sie durch die dichten Schleier von Blumen und Stickereien nicht hätte bewundern können. Über der Brust gekreuzt, ließ der Stoff mit den leuchtenden Farben den Ansatz des Busens frei, dessen Weiß mit dem einer reichen Spitze auf ihren Schultern kontrastierte. Ihre schwarz bewimperten Augen erhöhten den Ausdruck der Neugier, die ihren hübschen Mund in Falten legte. Auf ihrer schön geformten Stirn erblickte man die charakteristischen Wölbungen der willensstarken, lachlustigen, wissenden, aber gemeiner Verführung unnahbaren Pariserin. Ihre Hände hingen von den beiden Lehnen fast durchsichtig herab. Ihre feinen Finger mit den zurückgebogenen Spitzen hatten Nägel wie rosige Mandeln, auf denen das Licht spielte. Adam lächelte über die Ungeduld seiner Frau und warf ihr Blicke zu, die noch keine Übersättigung der Ehe abstumpfte. Die kleine, zarte Gräfin hatte bereits die Herrschaft im Hause an sich gerissen, denn sie erwiderte Adams Bewunderung fast gar nicht. In den verstohlenen Blicken, die sie auf ihn warf, regte sich vielleicht schon das Bewußtsein der Überlegenheit einer Pariserin über diesen mutwilligen, hageren, rothaarigen Polen.
    »Da kommt Paz,« sagte der Graf, als er Schritte in der Galerie hörte.
    Die Gräfin sah einen großen, schönen, stattlichen Mann eintreten. Seine Züge trugen die Spuren jener Sanftmut, die die Frucht von Kraft und Unglück ist. Paz hatte hastig einen der engen verschnürten Röcke mit olivenartigen Knöpfen angezogen, die man früher polnische Röcke nannte. Dichtes, schwarzes, schlecht gekämmtes Haar umgab seinen eckigen Kopf, und Clementine konnte seine breite Stirn sehen, die wie ein Marmorblock leuchtete, denn Paz trug seine Schirmmütze in der Hand. Diese Hand glich der des jugendlichen Herkules. Blühende Gesundheit sprach aus dem regelmäßigen Gesicht mit seiner starken römischen Nase, die Clementine an die schönen Trasteveriner gemahnte. Eine Halsbinde von schwarzem Taft vollendete das martialische Aussehen dieses Wunderwesens von 5 Fuß 7 Zoll mit seinen Jettaugen von italienischem Feuer. Ein weites faltiges Beinkleid, das nur die Spitzen der Stiefel sehen ließ, verriet Pazens Verehrung für die polnische Nationaltracht. Wahrhaftig, für eine romantisch veranlagte Frau hätte der scharfe Kontrast zwischen dem Kapitän und dem Grafen etwas Burleskes gehabt. Hier ein schöner Kriegsmann, dort ein kleiner Pole mit verkniffenem Gesicht, hier ein Paladin, dort ein Palatiner (Pfälzer).
    »Guten Tag, Adam,« sagte er vertraulich zum Grafen.
    Dann verbeugte er sich ritterlich vor Clementine und fragte, womit er ihr dienen könnte.
    »Sie sind also Laginskis
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