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Die falsche Geliebte (German Edition)

Die falsche Geliebte (German Edition)

Titel: Die falsche Geliebte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Wir verließen London, und ich nahm Paz nach Frankreich mit. In solchen Schicksalen werden zwei Männer zu Brüdern. Als ich mich in Paris sah, zweiundzwanzig Jahre alt, im Besitz eines Einkommens von einigen 60 000 Franken, ungerechnet die Reste einer Summe, die meine Mutter aus dem Verkauf von Diamanten und Familienbildern gewonnen hatte, wollte ich Pazens Zukunft sicher stellen, bevor ich mich in den Strudel der Pariser Vergnügungen stürzte. Ich entdeckte etwas Schwermut in den Augen des Kapitäns, bisweilen unterdrückte er Tränen. Ich lernte seine Seele schätzen, die von Grund aus edel, groß und hochherzig ist. Vielleicht schmerzte es ihn, sich durch Wohltaten an einen um sechs Jahre jüngeren Mann gebunden zu sehen, ohne ihm Gleiches mit Gleichem vergelten zu können. Sorglos und leichtsinnig, wie ein Junggeselle ist, konnte ich mich im Spiel zugrunde richten, mich von einer Pariserin umgarnen lassen. Paz und ich konnten eines Tages getrennt werden. Obwohl ich mir vornahm, für alle seine Bedürfnisse zu sorgen, erkannte ich doch manche Möglichkeit, ihn zu vergessen oder zur Bezahlung seiner Pension außerstande zu sein. Kurz, mein Engel, ich wollte ihm den Schmerz, die Scham, die Schande ersparen, mich um Geld anzugehen oder seinen Gefährten in der Not vergebens um etwas zu bitten.
    Also eines Morgens nach dem Frühstück, als wir beide vorm Kaminfeuer saßen und unsre Pfeifen rauchten, führte ich meinen Vorsatz aus. Nach vielem Erröten, vielen Vorsichtsmaßregeln, als ich sah, wie er mich besorgt anblickte, reichte ich ihm eine Rentenverschreibung auf den Inhaber auf 2400 Franken ...«
    Clementine stand auf, setzte sich auf Adams Knie, schlang ihren Arm um seinen Hals und küßte ihn auf die Stirn.
    »Lieber Schatz!« sagte sie, »wie schön finde ich dich! Und was tat Paz?«
    »Thaddäus,« entgegnete der Graf, »erbleichte und schwieg ...«
    »Ach, er heißt Thaddäus?«
    »Ja. Thaddäus faltete das Schriftstück wieder zusammen, gab es mir zurück und sagte: ›Ich glaubte, Adam, wir gehörten auf Tod und Leben zusammen und würden uns nie verlassen. Du willst also nichts mehr von mir wissen?‹ – ›Oh!‹ rief ich, ›verstehst du es so, Thaddäus? Schön, reden wir nicht mehr davon. Wenn ich mich zugrunde richte, bist du auch zugrunde gerichtet.‹ – ›Du bist nicht vermögend genug, um als Laginski zu leben,‹ sagte er. ›Brauchst du da nicht einen Freund, der sich deiner Geschäfte annimmt, dir Vater und Bruder ist, ein sichrer Vertrauter?‹ Mein liebes Kind, als Paz diese Worte zu mir sagte, lag in seinem Blick und in seiner Stimme eine Ruhe, die eine mütterliche Empfindung verbarg, aber eine arabische Dankbarkeit offenbarte, eine Hundetreue, eine Indianerfreundschaft, schmucklos und stets bereit. Mein Gott, ich nahm ihn, wie wir Polen uns nehmen. Ich legte die Hand auf seine Schultern, küßte ihn auf den Mund und sagte: ›Also auf Leben und Tod! Alles, was ich habe, gehört dir, mach, was du willst.‹ Er hat mir dies Haus für eine Kleinigkeit gekauft. Er hat meine Zinsenpapiere verkauft, wenn sie hoch standen und gekauft, wenn sie niedrig standen, und wir haben diese Bude mit den Gewinnen bezahlt. Er versteht sich auf Pferde und handelt so gut damit, daß mein Stall mich sehr wenig kostet, und ich habe die schönsten Pferde, die schmucksten Gefährte in Paris. Unsre Leute, brave polnische Soldaten, die er ausgesucht hat, gingen für uns durchs Feuer. Es sah aus, als ob ich mich zugrunde wirtschafte, und Paz führte meinen Haushalt mit solcher Ordnung und Sparsamkeit, daß er dadurch ein paar unüberlegte Verluste im Spiel, Jungeleutestreiche, wett gemacht hat. Mein Thaddäus ist verschmitzt wie zwei Genueser, gewinngierig wie ein polnischer Jude, vorbedacht wie eine gute Hausfrau. Nie konnte ich ihn dazu bestimmen, mit mir auf gleichem Fuße zu leben, solange wir Junggesellen waren. Bisweilen mußte ich den Zwang der Freundschaft anwenden, um ihn ins Theater zu schleppen, wenn ich allein hinging, oder zu Diners, die ich einer fröhlichen Gesellschaft im Speisehaus gab. Er liebt das Salonleben nicht.«
    »Was liebt er denn?« fragte Clementine.
    »Er liebt Polen und beweint es. Seine einzige Zerstreuung waren die Unterstützungen, die er mehr in meinem als in seinem Namen an einige unsrer armen Verbannten sandte.«
    »Ei, aber ich werde ihn lieben, diesen braven Kerl,« sagte die Gräfin. »Er scheint mir einfach, wie alles wahrhaft Große.«
    »Alle schönen Dinge, die du hier
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