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Die falsche Geliebte (German Edition)

Die falsche Geliebte (German Edition)

Titel: Die falsche Geliebte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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ließ ihn gehen, ohne etwas zu erwidern.
    »Welch ein Bär!« sagte sie zum Grafen. »Du bist viel netter!«
    Adam drückte seiner Frau heimlich die Hand. »Armer, guter Thaddäus, er hat sich bemüht, abstoßend zu wirken, wo viele Männer versucht hätten, liebenswürdiger als ich zu sein.«
    »Oh,« sagte sie, »ich weiß nicht, ob sein Benehmen nicht berechnet war: eine gewöhnliche Frau hätte er neugierig gemacht.«
    Eine halbe Stunde später rief der Jäger Boleslas: »Tür auf!«, und der Kutscher drehte zum Einfahren um und wartete, daß die beiden Torflügel sich öffneten. Da fragte Clementine den Grafen: »Wo haust denn der Kapitän?«
    »Schau, da,« antwortete Adam und wies auf ein kleines Geschoß, das sich in Form einer Attika elegant über der Toreinfahrt hinzog und mit einem Fenster auf die Straße ging. »Seine Wohnung liegt über den Remisen.«
    »Und wer wohnt auf der anderen Seite?«
    »Noch niemand,« entgegnete Adam. »Die andre kleine Wohnung über den Stallgebäuden ist für unsre Kinder und den Lehrer bestimmt.«
    »Er schläft noch nicht,« sagte die Gräfin, als sie Licht bei ihm erblickte. Der Wagen fuhr durch den Torbogen aus Säulen, denen der Tuilerien nachgeahmt, der das übliche Regendach aus Zink mit seiner leinwandartigen Bemalung ersetzte.
    Der Kapitän stand im Schlafrock, mit einer Pfeife in der Hand, und sah Clementine ins Vestibül treten. Es war für ihn ein harter Tag gewesen, und zwar aus folgendem Grunde. Thaddäus hatte eine heftige Herzenswallung gespürt, als Adam ihn eines Tages ins Théâtre des Italiens mitnahm, um ihm Fräulein du Rouvre zu zeigen und sein Urteil zu hören. Dann, als er sie im Standesamt und in der Kirche des hl. Thomas von Aquino wiedersah, erkannte er in ihr die Frau, die jeder Mann ausschließlich lieben muß, denn auch Don Juan gab einer von den Tausendunddrei den Vorzug! Darum riet Paz auch sehr zu der klassischen Hochzeitsreise. Während Clementines Fernsein blieb er sozusagen ruhig, aber seine Leiden begannen seit der Rückkehr des jungen Paares von neuem. Jetzt rauchte er Latakieh aus seiner sechs Fuß langen Kirschholzpfeife, einem Geschenk Adams, und dachte:
    »Ich allein und Gott, der mich für mein stilles Leiden belohnen wird, können wissen, wie sehr ich sie liebe! Aber wie kann es geschehen, daß sie mich weder liebt noch haßt?«
    Und er sann bis ins Uferlose über diesen Lehrsatz der Liebesstrategie nach. Man glaube nicht, daß Thaddäus in all seinem Schmerz ganz freudlos lebte. Die hochherzige Falschheit, die er heute geübt, war für ihn eine Quelle innerer Freude. Seit Clementine und Adam von der Reise zurück waren, genoß er es tagtäglich mit unsäglicher Genugtuung, notwendig zu sein in diesem Hause, das ohne seine Aufopferung sicher zugrunde gegangen wäre. Welches Vermögen konnte der Verschwendung des Pariser Lebens standhalten? Bei einem verschwenderischen Vater aufgewachsen, verstand Clementine nichts von der Führung eines Haushalts, den heutzutage auch die reichsten und vornehmsten Damen selbst überwachen müssen. Wer kann sich heute einen Haushofmeister halten? Auch Adam, der Sohn eines jener polnischen großen Herren, die sich von den Juden aussaugen lassen, war unfähig, die Reste eines der größten Vermögen in Polen, wo es noch Riesenvermögen gibt, zu verwalten; er besaß nicht Charakter genug, um seine eigenen Launen und die seiner Frau zu zügeln. Alleinstehend, hätte er sich vielleicht schon vor seiner Ehe zugrunde gerichtet. Paz hatte ihn gehindert, an der Börse zu spielen: ist damit nicht schon alles gesagt? Bei seiner Liebe zu Clementine, die er wider Willen empfand, hatte Paz also nicht einmal die Möglichkeit, das Haus zu verlassen und auf Reisen Vergessen zu suchen. Die Dankbarkeit, diese Lösung seines Lebensrätsels, bannte ihn an dies Haus; er allein war der Geschäftsmann dieser sorglosen Familie. Adams und Clementines Reise ließ ihn Ruhe erhoffen, aber die junge Gräfin kehrte schöner denn je zurück, und im Vollgenuß der Geistesfreiheit, die die Ehe den Pariserinnen bietet, entfaltete sie alle Reize einer jungen Frau, ja, ich weiß nicht, welche Anziehungskraft, eine Folge des Glücks oder der Selbständigkeit, die sie einem so vertrauensseligen, so durchaus ritterlichen, so verliebten jungen Manne wie Adam verdankte. Die Gewißheit, die treibende Kraft für den Glanz dieses Hauses zu sein, der Anblick Clementines, wenn sie bei der Heimkehr von einem Fest aus dem Wagen stieg oder des
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