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Die falsche Geliebte (German Edition)

Die falsche Geliebte (German Edition)

Titel: Die falsche Geliebte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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sagst, daß du ihn liebst... Oh! wie einen alten Freund.«
    »Ich will mich also ankleiden, es ist schönes Wetter, wir reiten alle drei aus,« sagte Clementine und schellte nach ihrer Kammerzofe.
    Paz führte ein so unterirdisches Dasein, daß das ganze elegante Paris sich fragte, wer Clementine Laginskas Begleiter sei, als man sie zwischen Thaddäus und ihrem Gatten nach dem Bois de Boulogne reiten und zurückkehren sah. Diese Laune einer absoluten Herrscherin zwang den Kapitän zu ungewohnter Toilette. Nach der Heimkehr vom Bois kleidete sich Clementine mit einer gewissen Koketterie, so daß sie selbst auf Adam Eindruck machte, als sie den Salon betrat, in dem die beiden Freunde sie erwarteten.
    »Graf Paz,« sagte sie, »wir gehen zusammen in die Oper.«
    Sie sagte das in einem Tone, der bei Frauen bedeutet: »Wenn Sie es ausschlagen, ist unsre Freundschaft aus.«
    »Gern, Frau Gräfin,« entgegnete der Kapitän. »Aber da ich nicht das Vermögen eines Grafen habe, nennen Sie mich einfach Kapitän.«
    »Schön, Kapitän, geben Sie mir den Arm,« sagte sie, ergriff ihn und führte ihn in den Speisesaal mit einer Geste feierlicher Vertraulichkeit, die Liebende entzückt.
    Die Gräfin ließ den Kapitän neben sich Platz nehmen. Sein Benehmen war das eines armen Leutnants, der bei einem reichen General speist. Paz ließ Clementine reden und hörte ihr mit der Ergebenheit zu, die man einem Vorgesetzten schuldet, widersprach ihr keinmal und wartete eine formelle Frage ab, bevor er antwortete. Kurz, er erschien der Gräfin fast stumpfsinnig. Ihre Koketterien versagten vor diesem eisigen Ernst und dieser diplomatischen Ehrerbietung vollkommen. Umsonst sagte Adam zu ihm.: »Sei doch munter, Thaddäus! Man sollte glauben, daß du nicht alle fünf Sinne beisammen hast. Du hast sicher gewettet, Clementine zu enttäuschen.« Aber Thaddäus blieb schwerfällig und schläfrig. Als die Herrschaften nach der Mahlzeit allein blieben, erklärte der Kapitän, daß sein Leben gerade umgekehrt verliefe als das der Gesellschaftsmenschen: er ginge um acht Uhr zu Bett und stände früh morgens auf. Damit schob er seine Zurückhaltung auf große Lust zu schlafen.
    »Als ich Sie zur Oper aufforderte, Kapitän, war meine Absicht, Ihnen ein Vergnügen zu machen, aber tun Sie, was Sie wollen,« sagte Clementine etwas verletzt.
    »Ich werde mitgehen,« sagte Paz.
    »Duprez singt ›Wilhelm Teil‹,« schaltete Adam ein, »aber vielleicht gehst du lieber ins Variete?« Der Kapitän lächelte und schellte; der Kammerdiener erschien.
    »Konstantin soll den Wagen anspannen,« sagte er zu ihm, »nicht das Kupee. Wir fänden nicht Platz, ohne uns zu hindern,« setzte er zum Grafen gewandt hinzu.
    »Ein Franzose hätte das vergessen,« lächelte Clementine.
    »Oh, aber wir sind nach dem Norden verpflanzte Florentiner,« entgegnete Thaddäus mit einer Feinheit im Ton und einem Blick, die sein Benehmen bei Tisch als Absicht erkennen ließen.
    Infolge seiner recht begreiflichen Unvorsichtigkeit war der Gegensatz zwischen der ungewollten Art und Weise dieser Äußerung und seiner Haltung während des Essens zu schroff. Clementine musterte den Kapitän mit einem jener Seitenblicke, die bei Frauen zugleich Erstaunen wie Beobachtung verraten. So herrschte denn während der Zeit, als alle drei im Salon Kaffee tranken, ein Schweigen, das für Adam recht peinlich war, da er den Grund nicht zu erraten vermochte. Clementine forderte Thaddäus nicht mehr heraus, und der Kapitän nahm seine militärische Steifheit wieder an und legte sie nicht mehr ab, weder unterwegs, noch in der Loge, wo er zu schlafen vorgab.
    »Sie sehen, Frau Gräfin, ich bin ein langweiliger Gesell,« sagte er im letzten Akt des »Wilhelm Teil« beim Ballett. »War es nicht richtig von mir, daß ich, wie man sagt, bei meinem Leisten blieb?«
    »Meiner Treu, lieber Kapitän, Sie sind weder Possenreißer noch Schönredner, Sie sind sehr wenig Pole.«
    »Lassen Sie mich also über Ihre Vergnügungen, Ihr Vermögen und Ihr Haus wachen,« fuhr er fort, »ich tauge nur dazu.«
    »Geh, Tartüff!« sagte Graf Adam lächelnd. »Meine Liebe, er hat Herz, er hat Bildung. Wenn er nur wollte, er könnte im Salon seinen Mann stehen. Clementine, nimm seine Bescheidenheit nicht wörtlich.«
    »Leben Sie wohl, Gräfin, ich habe meinen guten Willen bewiesen. Ich benutze Ihren Wagen, um schleunigst nach Hause zu fahren und schlafen zu gehen; dann schicke ich ihn Ihnen zurück.«
    Clementine neigte den Kopf und
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