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Die falsche Geliebte (German Edition)

Die falsche Geliebte (German Edition)

Titel: Die falsche Geliebte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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kann gegen Sie offen sein. Nun also: ich gäbe mein Leben hin, um Adam zu retten. Erlaubt die Selbständigkeit einer Pariserin nicht, sich von der Scheinliebe verkrachter Existenzen oder Vergeuder umgarnen zu lassen? Ich möchte Gott bitten, daß er mir diesen Gatten läßt, der so gefällig, so gutmütig, so wenig kleinlich ist, und der mich schon zu fürchten begann.«
    »Sie sind ehrlich, und ich mag Sie darum um so lieber,« sagte Thaddäus und küßte ihr die Hand. Clementine ließ es geschehen. »In solchen feierlichen Augenblicken liegt etwas Befriedigendes darin, eine Frau unverstellt zu sehen. Mit Ihnen läßt sich reden. Denken wir an die Zukunft; nehmen wir an, Gott erhörte Sie nicht, und ich bin doch einer von denen, die am meisten geneigt sind, ihn anzuflehen: ›Laß mir meinen Freund!‹ Ja, diese fünfzig Nächte haben meine Augen nicht geschwächt, und müßten wir ihn noch dreißig Tage und dreißig Nächte pflegen, so werden Sie schlafen, Gnädigste, wenn ich wache. Ich werde ihn schon dem Tode entreißen, wenn man ihn, wie die Ärzte sagen, durch Pflege retten kann. Kurz, trotz meiner und Ihrer Bemühungen stirbt der Graf. Nun also, wenn ein Mann von Herz Sie liebte, ja anbetete, ein Mann, dessen Charakter Ihrer würdig wäre...«
    »Ich habe vielleicht wild gewünscht, geliebt zu werden, aber ich bin ihm nicht begegnet...«
    »Wenn Sie getäuscht worden wären...«
    Clementine blickte Thaddäus fest an. Sie vermutete bei ihm weniger Liebe als Begierde, überschüttete ihn mit Verachtung, indem sie ihn von Kopf bis zu Füßen maß, und vernichtete ihn mit den zwei Worten: »Arme Malaga!« Sie sagte das in drei Tonlagen, die allein die vornehmen Damen auf dem Register ihrer Verachtung haben. Sie stand auf und ließ Thaddäus gebrochen zurück. Sie drehte sich nicht um, ging in edler Wallung in ihr Boudoir und wieder in Adams Schlafzimmer hinauf.
    Nach einer Stunde erschien Paz wieder im Krankenzimmer. Da der Schlag nicht tödlich war, bemühte er sich um den Grafen. Seit jenem schicksalsvollen Augenblick wurde er schweigsam. Zudem kämpfte er mit der Krankheit, bekämpfte sie in einer Weise, die den Ärzten Bewunderung abnötigte. Zu jeder Stunde sah man seine Augen wie zwei Lampen glühen. Ohne Clementine im geringsten zu grollen, hörte er ihre Dankesworte, ohne sie zu erwidern. Er schien stumm. Er hatte sich gelobt:
    »Sie soll mir Adams Leben verdanken.«
    Dies Wort schrieb er sozusagen mit feurigen Buchstaben in das Krankenzimmer. Am fünfzehnten Tage mußte Clementine ihre Pflege einschränken, wollte sie nicht zusammenbrechen. Paz war unermüdlich. Kurz, Ende August stand Bianchon, der Hausarzt, für das Leben des Kranken ein.
    »Ach, Frau Gräfin, danken Sie mir gar nicht dafür,« sagte er. »Ohne seinen Freund hätten wir ihn nicht gerettet.«
    Am Tage nach der schrecklichen Szene im chinesischen Pavillon besuchte der Marquis von Ronquerolles seinen Neffen, denn er reiste in geheimem Auftrag nach Rußland, und Paz, den das Gespräch am Tage vorher niedergeschmettert hatte, sagte dem Diplomaten ein paar Worte. An dem Tage nun, wo Graf Adam mit seiner Gattin zum erstenmal ausfuhr, in dem Augenblick, wo der Wagen von der Freitreppe abfuhr, erschien, ein Gendarm im Hofe und fragte nach Graf Paz. Thaddäus, der vorn auf der Kalesche saß, drehte sich um, nahm einen Brief mit dem Siegel des Ministeriums des Äußeren in Empfang und steckte ihn in die Rocktasche. Die Art, wie dies geschah, hinderte Clementine und Adam, mit ihm davon zu sprechen. Man kann den Leuten der guten Gesellschaft nicht abstreiten, daß sie die stumme Sprache verstehen. Trotzdem machte Adam, als sie an der Porte Maillot ankamen, sich die Vorrechte eines Genesenden zunutze, dessen Launen befriedigt werden wollen, und sagte zu Thaddäus:
    »Unter zwei Brüdern, die sich so lieben wie wir, gibt es keine Heimlichkeiten. Du weißt, was in der Nachricht steht. Sag' es mir, ich brenne vor Neugier.«
    Clementine blickte Thaddäus schmollend an und sagte zu ihrem Gatten:
    »Er schmollt seit zwei Monaten derart mit mir, daß ich mich hüten würde, in ihn zu dringen.«
    »Oh, mein Gott,« antwortete Thaddäus, »da ich nicht hindern kann, daß es in die Zeitungen kommt, will ich Ihnen das Geheimnis verraten. Kaiser Nikolaus erweist mir die Gnade, mich zum Kapitän in einem Regiment zu ernennen, das zum Feldzug nach Chiva ausrücken soll.«
    »Und du gehst hin?«
    »Ich gehe, mein Lieber. Als Kapitän bin ich gekommen, als Kapitän
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