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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Katrin Mackowski
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sich an den Dornen zu stechen, zögerte und sah mich verliebt an. In diesem Moment sagte ich mir, dass die Welt untergeht, so glücklich, so unmöglich glücklich war ich, weil ich es gewagt hatte, ihr endlich die Wahrheit zu sagen. Ihre Augen. Ich glaube, sie war gerührt. Und ich glaubte ein Schluchzen zu hören, nahm sie in meine Arme und flüsterte: ›Nicht weinen, bitte nicht weinen. Irene, ich liebe dich!‹ Ich versicherte ihr, dass ich sie nie betrügen würde, und dass … dass ich sie gern …«
    Wolowiec schluckte schon wieder.
    » … sie gern heiraten würde. Es dauerte nicht lange, da spürte ich, wie ihr Körper, anfangs noch glühwarm, abkühlte. Der Schweiß auf ihrer Stirn war eisig, die Augen, in denen zuerst Tränen schwammen, verwandelten sich in dunkle Löcher, aber sie begann wieder zu lächeln. Zuerst ganz zaghaft, so wie am Anfang, aber nach und nach wurde aus dem Lächeln ein Lachen. Es steigerte sich so, dass sie sich den Bauch halten musste. ›Hör auf‹, sagte ich, aber sie lachte nur noch mehr. ›Hör auf zu lachen‹, sagte ich wieder, und sie lehnte ihren Kopf gegen meine Schulter. Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände, es zitterte vor Lachen, ich legte meine Hände um ihren Hals, schüttelte sie, drückte ein wenig zu, aber sie konnte nicht aufhören. Ich wollte, dass sie aufhörte … da schlug ich sie ins Gesicht, dann auf den Kopf. ›Irene‹, schrie ich, ›sei stills aber es half nichts. Ich legte wieder meine Finger um ihren Hals, der Druck meiner Hände musste sich ohne mein Wollen verstärkt haben, und noch ehe ich begriff, sank sie röchelnd zu Boden. Da lag sie, das Gesicht war blau angelaufen, und ich wusste nicht, was ich tun sollte …«
    »Warum haben Sie denn nicht die Rettung gerufen?«, fragte Karlich, der unbemerkt in die Bar gekommen war.
    »Das fragen Sie mich?« Wolowiec schien schlagartig nüchtern. »Ich bin selbst Arzt, es war zu spät!«
    »Und da wollten Sie Irene in guter Erinnerung behalten?«, fragte Sarah sanft.
    »Ich fing an, ihr Gesicht mit einem Klumpen Schnee zu bearbeiten«, sagte Wolowiec, »doch ihre Schminke, die Wimperntusche, das Make-up, alles verwischte und machte sie so hässlich. So konnte ich sie doch nicht liegen lassen. Ich durchwühlte ihre Kleider. In ihrer Jackentasche fand ich die Hausschlüssel. Dann bin ich zu ihr nach Hause und habe alles mitgenommen, was sie an diesem Abend, bevor sie laufen gegangen war, am Leibe trug. Den Samtmantel, die Stiefel … sogar das Parfüm … Das war das Beste, das ich noch für sie tun konnte. In ihren Joggingsachen hätte man sie für jede x-beliebige Frau halten können, aber das war sie nicht. Sie war …«
    Wolowiec wartete einen Moment und schüttelte dann den Kopf.
    »Zurück am Theseustempel zog ich sie um und habe sie wie immer, wenn wir zusammen waren, geschminkt. Ihre Schönheit konnte mich für einen Moment trösten, und der Reiz, der von ihr ausging, war so einzigartig, dass ich ihr die Rose zwischen die Lippen legte und so Abschied von ihr nahm.«

39
    D AS G ESTÄNDNIS , das Erwin Wolowiec wenige Minuten später auf der Amtsstube des Präsidiums wiederholte, war die zärtlichste und verzweifeltste Liebeserklärung, die Sarah Rosen je gehört hatte. Immer wieder sah Wolowiec verstohlen zu ihr hinüber, als wollte er ihr ein Geheimnis anvertrauen, dabei wusste sie doch längst alles, und es beschämte sie, dass sie damals seine Gefühle so leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte. Mit einem Lachen. Wegen dieser dummen Erfrischungstücher.
    »Totschlag. Totschlag im Affekt«, hörte sie die Beamten reden. Die Kollegen hatten es ihr doch vorausgesagt. Hände weg von Psychotikern!
    Sarah war getroffen.
    Dieser Mann würde auf sie warten. Haft oder nicht. Er würde sie beobachten, Pläne schmieden, Sehnsucht haben, und dieses Wissen stach mit solch einer Klarheit hervor, dass es wehtat.
     
    Zwei Wochen später saß Sarah Rosen in ihrer Praxis und nippte an einem doppelten Glas Brandy. Erste Silvesterknaller auf den Straßen. Ein Schrecken nach dem anderen. Dabei hatte der Tag mit einem Termin bei der Kosmetikerin begonnen, danach Sauna und Massage. Aber das alles hatte sie nicht ruhiger, sondern nur noch nervöser gemacht.
    Rosen warf einen Blick in die Zeitung. Faktum hatte den Fall vor einigen Tagen als Titelstory gebracht, darunter ein vergrößertes Foto von der Leiche, ein quälender Anblick.
    Irene Orlinger am Theseustempel. Dieses Stillleben mit Rose. Das galt ihr! Das war sie,
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