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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Katrin Mackowski
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eine CD vergessen.«
    »Die mit der Opernmusik?«
    »Na ja, was sie so Opernmusik nennt«, sagte François.
    Sarah war schlagartig wieder klar im Kopf.
    »Was für Musik?«, fragte sie.
    Das Kaffeehaus war erfüllt von Andeutungen, Verschwörungen, Tönen, die sich alle gegen sie richteten.
    »Hugo Wolf-Lieder«, sagte François. »Eine Aufnahme mit …«
    Er sah auf einen Zettel.
    »Dietrich Fischer-Dieskau und Georg Mildner.«

37
    S ARAH HATTE DEN T AG in diversen Kaffeehäusern der Stadt zugebracht, sich in diversen Spiegeln die Lippen nachgezogen und wie eine unbekannte Person betrachtet, die nirgendwo erwünscht war und um die sich doch alles drehte.
    Zum ersten Mal fühlte sie, dass der Wunsch, verstehen zu wollen, brutal war. Wozu noch Analyse? Dieser Beruf, der ihr im Laufe der Jahre jegliches Gefühl für sich selbst genommen hatte. Ihr Leben stand auf der Kippe. Alles, was vor ein paar Tagen noch als sicher galt, hatte sich als tückisch erwiesen. Ihre Beziehung, die Arbeit mit den Patienten, die Freundschaft zu Bruno.
     
    Nach einsamen Runden durch den ersten Bezirk war Sarah gegen Abend wieder zu Hause. Als sie die Tür aufschloss, wehte ihr der Wind eine Ladung Pulverschnee ins Gesicht. Sie registrierte es wie eine Betäubung, trat erschöpft in den Hausflur und nahm den Lift. Während der Fahrt nach oben fühlte Sarah, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Sie schob es auf die Tatsache, seit dem Frühstück nichts Vernünftiges mehr gegessen zu haben. Mit knurrendem Magen kam sie in die Wohnung, durchstöberte als erstes den Kühlschrank und fand nichts außer einer Dose Kapern und einem Glas Marmelade, das obendrein noch Schimmel angesetzt hatte. Schimmel! Wie bezeichnend!
    Ab wann waren die Dinge eigentlich schlecht geworden? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie das Leben durch eine Reihe unfreiwillig bitterer, aber auch komischer Momente führte, die sie nicht mehr im Griff hatte. Die Begegnung mit François machte sie unsicher, als hätte er sie mit seiner Angst angesteckt und mit seiner Flüchtigkeit getroffen.
    Sie würde sich stellen müssen, keine Frage. Vielleicht war alles eine amorphe, chaotische Verschiebung von Angst, die sich nun auftürmen und in ihr brechen wollte, äußerlich aber längst Form angenommen hatte.
    Der Mord im Volksgarten. Eine Tote, die ihr Parfüm trug. Und die Rose? Zeichen, die sich gegen sie richteten wie ein Anschlag auf ihre Existenz. Gab es jemanden, den sie zurückgewiesen, jemanden, den sie übersehen hatte?
    Doch nicht etwa Marc Sartorius? Der Salesmanager, der seit Jahren zu ihr in die Praxis kam? Vielleicht. Er wollte ihr eine Rose schenken, neulich, als sie ihm im Tiefen Graben begegnet war.
    Sarah berührte mit der Fingerspitze ihr Augenlid, als spürte sie einen Schmerz. Aber da war nichts. Sarah inspizierte eine Wimper, die auf ihrer Fingerkuppe hängen geblieben war, und warf dann einen letzten Blick auf ihr Handy. Den ganzen Tag über hatte sie probiert, Georg zu erreichen, aber immer nur das Gedudel des Netzbetreibers und die nervtötende Ansage der Mailbox gehört.
    Sie hatte genug. Sie würde sich von Georg trennen müssen, dachte sie, und ein Sog zog sich durch ihren Körper, eine Kraft, die sie so sehr in die Tiefe riss, dass sie nicht mehr dagegen ankämpfen konnte. Ihre einzige Hoffnung war François Satek.
    Wer wie er heimatlos ist, sucht ein Leben lang nach Ähnlichkeiten, nach Korrespondenzen, bekannten Gerüchen und Berührungen, die eine Weile beruhigen, um sich zu Hause zu fühlen. Und sie? Was suchte sie?
    Halb neun. Der Termin im Orient.
    Sarah ging an ihren Kleiderschrank und öffnete die rechte Tür. Wie sehr sie drauf bedacht war, Ordnung zu halten. Klemmbügel für die Hosen, Plastiksäcke für die Kostüme, immer frisch aus der Reinigung. Pullis, die auf ganz bestimmte Art zusammengelegt waren. Oben die T-Shirts, nach Farben sortiert, Dunkles vorne, Helles hinten, und in diese Ordnung brach immer wieder seine Stimme ein. François’ sonore Stimme, dann seine Küsse auf ihrem Handgelenk, seine Küsse in ihrem Traum, die Kälte zwischen ihnen, das Glas, diese unheimliche Trennwand. Verliebtheit oder anderer Irrsinn? Keine ausgesprochenen Übereinkünfte, keine gemeinsame Nacht.
    Sarah öffnete die andere Seite ihres Schranks, den Teil, in dem ihre Abendgarderobe hing. Das kleine Schwarze, wuchtig lange Abendkleider mit raffinierten Ausschnitten. Satin, Samt, gewaschene Seide, Leder, gecrashte Baumwolle. Stoffe und Kleider für alle
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